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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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hob sich ganz leicht aus dem Sattel. Der Kopf war jetzt tief zwischen den Schultern, und der Blick sah nicht weiter als zwei oder drei Meter voraus. Er spürte, wie er das Tempo seiner Beine noch etwas steigern konnte, anstatt langsamer zu werden. Und nun, da er durchs Ziel schoß, war die Schwäche wie weggepustet.
    Aha, so war das also. Man durfte einfach nicht nachgeben.
    Harald saß jetzt fast ohne Bewegung auf seiner Maschine, die er im eigenen Schwung allmählich auslaufen ließ. Und jetzt erst spürte er den Regen in seinem Gesicht. Er strich sich das Haar aus der Stirn und lenkte sein Rad dem Ausgang des Platzes und der Villa zu.
    „Dreizehn acht! Sie haben Ihre bisher beste Zeit um zweiunddreißig Sekunden unterboten. Trotz dieses abscheulichen Wetters!“ In Richards Gesicht war ehrliche Freude und aufrichtiger Stolz. Allerdings, je näher sie dem Hause kamen, um so mehr unterdrückte er jetzt seine Begeisterung wieder.
    „Aber diese Art von Wetter ist heimtückisch, und wenn Sie für Krankheiten auch nicht gerade anfällig sind, so ist doch Ihre augenblickliche Kleidung denkbar ungeeignet.“
    Natürlich ließ nicht Richard das Bad ein, sondern Frau Voss tat es höchstpersönlich. Und zwar so heiß wie möglich. Sie legte ein riesiges Frottiertuch zurecht und rannte in die Küche, um warmen Tee zu bestellen. Zur Sicherheit gleich zwei Portionen. Sie holte Kamelhaarpantoffeln aus einem Schrank, und Haralds Bademantel wurde über einem Stuhl bereitgelegt.
    Wenn Mütter besorgt sind, können sie rührend geschäftig sein.
    Harald ging zuerst unter die kalte Dusche, um sich vor allem mal den ganzen Schmutz von der Haut zu spülen. Dann erst stieg er in das blau und weiß gekachelte Bassin. Als er hier eine geraume Weile bewegungslos im heißen Wasser lag, spürte er allmählich doch die Anstrengung seiner Muskeln nach wirken. Vor allem die Oberschenkel schienen plötzlich fast gefühllos zu sein. Eine ganze Weile zitterten sie regelrecht, ohne daß er etwas dagegen tun konnte.
    Dieses Bad, durch eine Tür mit Haralds Zimmer verbunden, war es gewesen, das er mit einem besonderen Freudenruf begrüßt hatte, als er vor sechs Monaten, aus Stuttgart kommend, zum ersten Mal durch die neue Wohnung und vor allem durch den ihm vom Vater zugedachten Teil gegangen war.
    Der fast quadratische Raum war bis dicht unter die Decke gekachelt. An der Wand befanden sich Waschbecken und Dusche. Das Badebassin, etwas länger als zwei Meter und entsprechend breit, war in den Fußboden eingelassen. Kein Wunder, daß der Junge sich hier bei jeder Temperatur, jeden Morgen und jeden Abend, regelrecht austobte.
    „Hallo! How are you, my boy?“
    Augenblicklich erkannte Harald die Stimme seines Vaters.
    Diese Art der Begrüßung war „von drüben“ noch so hängengeblieben.
    „Who’s there?“ Harald rief es lachend zurück.
    „It’s me!“
    „Come in!“
    „Wirklich — ist es gestattet?“ Mr. Voss trat breit und lachend in den Raum, schaute eine Weile auf das vollkommen verschmutzte Trikot, das neben der Dusche auf der Erde lag, und dann zu seinem Jungen.
    „Man hört ja tolle Geschichten von dir. Mutter ist drauf und dran, nach einem Arzt zu telefonieren. In deinem Zimmer wartet schon eine ganze Batterie heißer Teekannen auf dich. Dabei geht es mir weniger um deine Gesundheit, old fellow, als um Mutters Nerven, auf die du etwas mehr Rücksicht nehmen solltest. Um dich selbst habe ich keine Bange.“
    „O, I’m very sorry — aber du mußt verstehen, ich hatte ja mit dem Regen nicht gerechnet. Und einfach abbrechen
    Harald sah seinen Vater an, als wollte er sagen: Hättest du ja auch nicht getan!
    Und jetzt vorsichtig, fast lauernd: „Du — dreizehn acht — was sagst du dazu-?“
    Was sollte Mr. Voss dazu sagen?
    Er brummte nur so etwas wie „wonderful — excellent — gut, gut oder dergleichen und war im übrigen wieder einmal ein ganz klein wenig stolz auf seinen Jungen, der da nun fast prahlerisch in seiner Gesundheit im Wasser lag. Wie ein junger David, Achill, Theseus — oder wie sich die übrige Galerie jener besonders gut gewachsenen Jünglinge sonst noch nennen mochte.
    „Ich bin heute nur deinetwegen gekommen. Wir müssen uns mal zusammensetzen, Junge.“ Mr. Voss ging wieder in Haralds Zimmer zurück.
    „Ich beeile mich.“ Harald kletterte aus dem Bassin und packte sich ein großes und sehr blaues Frottiertuch um die Schultern. Draußen hatten sich die Gewitterwolken zum Horizont hin verloren. Die

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