Die Fuenfzig vom Abendblatt
nicht enden wollte---
Mattoni war aufgesprungen und stand lebhaft applaudierend ganz vorne an der Brüstung der Loge. Hinter ihm der Allgewaltige hielt mit seiner Zustimmung ebenfalls nicht zurück. Die Herren von den Züricher und Berliner Hochschulen schlossen sich an.
In der Mittelloge des ersten Ranges stand der dicke Chef des Nachtexpreß ebenfalls hochaufgerichtet. Er würde sein Wort wahr machen. Er würde diesen Peter von Bertelmann in den Himmel heben. Und das Abendblatt sollte dabei zerplatzen. Mit lautem Knall.
So war eigentlich alles ein Herz und eine Seele. Die Sensationslüsternen stellten es mit einem gewissen Bedauern fest. Ihre Ahnungen schienen sie diesmal doch irregeführt zu haben.
Da geschah es!
Professor Beckmann trat plötzlich neben den begeistert applaudierenden Italiener. Dem ganzen Saal sichtbar, am Rande der Proszeniumsloge, stand er vier oder fünf Sekunden. So, als ob er warten wollte, bis alles auf ihn aufmerksam geworden sei. Und dann — dann hob er steil seinen linken Arm in die Luft.
Und jetzt gellten von den Rängen herunter, aus den hinteren Reihen des Saales heraus und von den Seitenlogen herüber scharfe, grelle Pfiffe durch den allgemeinen Applaus. Pfui-Rufe waren dazwischen zu hören.
Der Beifall brach in sich zusammen. Man war überrascht, man mußte sich erst mit dieser neuen Situatiton vertraut machen.
Der dicke Chef des Nachtexpreß witterte als erster die Gefahr. Er antwortete auf die Pfiffe und Rufe, die jetzt immer lauter wurden, mit einem erneuten, stärkeren Händeklatschen. Und da ihm das nicht zu genügen schien, rief er auch noch: „Bravo! Bravo!“
Und damit hatte er das Signal gegeben.
Das ganze Haus schloß sich an, und die Wände dieses Saales hatten wohl noch nie einen Beifall erlebt wie diesen, der jetzt sozusagen als Antwort zu dem weißhaarigen Professor in die rechte Proszeniumsloge hinaufschwang.
So sehr sich die Jungen in ihren roten Abendblatt-Pullovern auch die Lungen aus dem Leibe pfiffen, jetzt war nichts mehr von ihnen zu hören. Ja, wo man sie entdeckte, fiel man über sie her, hielt ihnen den Mund zu oder wies sie gar hinaus.
Der Allgewaltige war von seinem Sessel in die Tiefe der Loge zurückgetreten. Ebenso der Italiener. Es war die einzige Möglichkeit, um zu zeigen, daß sie mit dieser Aktion des Professors nichts zu tun haben wollten und sie verurteilten.
Professor Beckmann aber schwenkte jetzt seine Arme durch die Luft zum Zeichen, daß er zu sprechen wünsche.
Nur widerwillig ließ man sich hier und dort herbei, Ruhe zu geben. Einzelne Gruppen aber applaudierten mit unvernünftiger Heftigkeit weiter. An ihrer Spitze Dr. Malborn.
„Meine sehr verehrten Damen und Herren-“
Weiter kam der Gelehrte nicht.
Der dicke Chef des Nachtexpreß rief mit seinen Leuten und den Vertretern der übrigen Presse dazwischen und machte jedes weitere Wort unmöglich.
Und seinem Beispiel folgte nun auch wieder das ganze Haus. Man beachtete den alten Mann in seiner Loge jetzt überhaupt nicht mehr. Man wandte sich wieder dem Podium zu und rief erneut nach Peter von Bertelmann.
Immer wieder mußte der hochgewachsene Komponist an sein Dirigentenpult treten und sich verneigen.
Er tat es lächelnd und mit Eleganz.
Von Daniela, einem alten Auto und einer Baracke
So ziemlich im gleichen Augenblick, ais sich Peter von Bertelmann im Scheinwerferlicht des Unionhauses endgültig zum
letzten Mal verbeugte---etwa im gleichen Augenblick
zwängte sich irgendwo im Westen der Stadt ein schlanker, hochgewachsener Junge unter die halbgeöffnete Motorhaube eines alten Autos, Marke Opel, Viersitzer, Limousine Modell 1950.
Harald sah sich immer wieder vorsichtig um und bemühte sich, kein Geräusch zu verursachen.
Von dem Opel existierte lediglich noch die Karosserie, und diese Karosserie lag oder stand völlig ausgeschlachtet auf vier leeren Heringstonnen aufgebockt. Die Polster waren aus dem Innern des Wagens herausgerissen und Armaturenbrett samt Lenkrad abmontiert. Selbst der Fußboden mußte irgendwann einmal seinen Interessenten gefunden haben. Selbstverständlich fehlte auch der Motor. Lediglich der Benzintank und Kühler waren geblieben. Zwischen ihnen und der halbgeöffneten Motorhaube hatte Harald sein Versteck gefunden. Ein Versteck, das ihn gut verbarg und das ihm trotzdem nach einer bestimmten Richtung die Sicht frei ließ. In dieser Richtung, kaum zwanzig Meter von dem Jungen entfernt, waren in der Dunkelheit zwei schmale Fenster zu
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