Die Fuenfzig vom Abendblatt
dahintersteckte. Es war zumindest verdächtig, vom Allgewaltigen persönlich in Vorschlag gebracht zu werden. Verdammt, ihm war bisher auch nichts geschenkt worden, und er haßte all die geschniegelten Laffen, die da mit blitzeblanken weißen Kragen durch die Geographie liefen und wie auf Schmierseife in jede Stellung hineinrutschten. Ob sie nun Heringsverkäufer waren oder Kassenboten. Für ihn hatte jede Empfehlung etwas von einem Diebstahl an sich. Durch eine gewisse Geschicklichkeit, eben durch Beziehungen, klaute man den andern eine Stellung vor der Nase weg, und es war so gut wie sicher, daß in der langen Schlange der Geprellten mancher stand, der mehr gekonnt und mehr Berechtigung auf die Lohntüte gehabt hätte, um die es da gerade ging.
Alibaba gedachte im übrigen seine Meinung auch in aller Offenheit auszusprechen. Es mußte in diesen Dingen Klarheit unter der Horde herrschen. Bei ihr sollte keine Vetternwirtschaft oder Bevorzugung stattfinden. Wenn das alles einmal aufhören, wenn jeder einmal nur noch auf den Platz kommen sollte, der ihm nach seiner Leistung auch wirklich zustand, dann mußte das unter ihnen, unter den Jungen, seinen Anfang nehmen. Von den Erwachsenen war da nichts mehr zu erwarten. Die liefen wie alte Straßenbahnen immer weiter in ihren ausgefahrenen Schienen. Und so waren die Worte, mit denen Alibaba am Abend Harald den Jungen vorstellte, nicht irgendwie gedankenlos hingesprochen, sondern mit Überlegung und Absicht gewählt.
Die Horde hatte sich heute eine Stunde früher versammelt. Man stand in Gruppen zusammen, und überalll war von der Gratisvorstellung des Nachtexpreß im Zirkus Bertoldi die Rede. Da schwang sich Alibaba auf eine der riesigen Papierrollen, die hier für die Rotationsmaschinen bereitlagen.
„Mal herhören. Ich habe euch gestern Mario vorgestellt. Heute stelle ich euch den zweiten Neuen vor, Harald Madelung. Er soll an Stelle von Bruno, der ja jetzt in der Setzerei arbeitet, zu uns kommen. Ich habe Harald heute zum ersten Mal gesehen. Er kommt nämlich auf Empfehlung von Mr. Voss persönlich.“
Alibaba sprang wieder von seiner Papierrolle herunter. Dabei meinte er noch so nebenbei: „Was mich betrifft, so halte
ich nichts von Empfehlungen. Aber das wißt ihr ja---“
Die Jungen wußten im Augenblick nicht recht, was sie von der Sache halten sollten. Sie sahen schweigend zu Harald, und Harald blickte zu ihnen. Auch er sagte nichts.
Irgendwie hatte Alibaba natürlich recht. Es war zum ersten Mal, daß ein Junge zu ihnen kam, den keiner von ihnen vorher gekannt hatte und der nur eingestellt worden war, weil er offenbar gute Beziehungen zur Direktion hatte. Und trotzdem, Alibaba hätte nicht so einfach mit der Tür ins Haus fallen sollen. Das war eigentlich auch gar nicht seine Art. Der Neue konnte einem leid tun. Zumindest hatte er ein Anrecht darauf, gefragt zu werden und dann antworten zu dürfen.
Sam hatte als einziger für feinere Gefühle dieser Art keine Antenne. Bei ihm übersprang die Neugierde alle anderen Überlegungen. Der Chef des gesamten Abendblattes war für ihn eine Persönlichkeit, die gleich hinter dem lieben Gott rangierte, und ihn zu kennen, bedeutete weit mehr noch, als etwa ein Autogramm von Rosby zu besitzen. Dabei hatte Rosby am vergangenen Sonntag den Australier Maccens k. o. geboxt und war Anwärter auf die Weltmeisterschaft.
„Wirklich, du kennst Mr. Voss persönlich? Privat sozusagen?“ Seine runden Augen sprangen größer und weißer denn je aus dem kleinen schwarzen Gesicht.
Aber da wurde der Negerjunge plötzlich zur Seite geschoben. Erwin Kogge war einen Schritt vorgetreten, hatte die Hände in den hinteren Taschen seiner Blue jeans und fragte sehr vorsichtig: „Woher kennst du Mr. Voss?“
Noch vor zwei Minuten war Harald eigentlich drauf und dran gewesen, Alibaba an den Hals zu springen. Aber jetzt hatte er sich schon wieder in der Gewalt. Fast unbeteiligt und mechanisch kam die Antwort, die er sich mit seinem Vater zusammen schon vorsorglich zurechtgelegt hatte.
„Ich kenne Mr. Voss selbst nicht — ein Bekannter von mir ist in der Sportredaktion, und der kennt ihn. Und der hat Mr. Voss gefragt, ob es nicht vielleicht möglich wäre, daß ich beim Abendblatt
„Dann ist also Dr. Lorenz, der die Sportredaktion unter sich hat, dein Bekannter?“ Erwin Kogge konnte fragen wie ein Kriminalkommissar.
„Nein, er heißt Pleschke, Rudi Pleschke. Er ist nur Schriftleiter bei Dr. Lorenz.“
Nun hatte sich auch Alibaba
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