Die Fuenfzig vom Abendblatt
Voss persönlich. Und das Flugzeugmutterschiff gehorchte tatsächlich.
Bulle ist wütend, und Dr. Malborn telefoniert
Bulle fuhr sichtlich gut gelaunt mit dem Fahrstuhl ins vierte Stockwerk. Es war schon ruhig auf den Treppen und in den Gängen des Nachtexpreß-Gebäudes. Lediglich in der zweiten Etage, dem Stockwerk der Redaktion, war noch Leben und Bewegung.
Als Bulle das Vorzimmer zu Dr. Malborn betrat, tat er es sehr selbstbewußt. Er verlangte nach dem Chef, ganz im Ton eines Menschen, der weiß, daß er erwartet wird und gute Nachrichten zu überbringen hat.
„Dr. Malborn läßt bitten — “
Wie sich das anhörte, „läßt bitten — “!
Zum ersten Male eigentlich waren diese Worte für Bulle mehr als nur eine Redensart. Er nahm sie in ihrer vollen Bedeutung für sich in Anspruch. Er, Bulle, wurde vom Chef des Nachtexpreß gebeten, einzutreten. Das war die Art, wie er es wünschte, daß man mit ihm reden sollte. Zumindest für die Zukunft. Der Ton unter seinen Ausfahrern widerte ihn an. Von Tag zu Tag mehr. Er mußte raus aus all dem. Er wollte nicht sein ganzes Leben mit ausgefransten Hosen auf einem Fahrrad sitzen und Zeitungen ausfahren.
Erst heute morgen hatte er sich mit seiner Mutter gezankt, weil er so etwas Ähnliches ausgesprochen hatte. Freilich, sie war eine einfache Frau und kannte das Leben nur von ihren vier Wänden her, den vier Wänden einer billigen Dreizimmerwohnung im Hinterhaus einer Mietskaserne. Sie hatte sich aufgelehnt dagegen, daß Bulle seit einiger Zeit jeden zweiten Tag seine Hemden wechselte und sich jetzt ein Paar von diesen neuen italienischen Halbschuhen gekauft hatte, wie man sie eben heute trug und vor allem zum Tanzen brauchte. Seine Hemden hatte er früher eine ganze Woche nicht gewechselt, und dann jetzt solche Schuhe, die bestimmt nicht lange hielten---
Auch da mußte er heraus, aus diesem Hinterhaus der Mietskaserne. Weg von seiner Mutter, die ihn immer an seine Herkunft erinnern würde. Man konnte ihr ja monatlich Geld per Postanweisung schicken. Irgendwoher und unter falschem Namen. Dann, wenn er irgendwo, weit weg von dieser Stadt, in Sicherheit war und ein neues Leben anfing. Ein Leben, das sich lohnte---
Aber vorerst stand er noch vor seinem Chef.
Die hellblonde Sekretärin hatte die Tür zum Vorzimmer gerade wieder hinter sich geschlossen. Bulle zog seine Mütze und räusperte sich, denn der Dicke hinter seinem Schreibtisch tat so, als hätte er gar nicht bemerkt, daß jemand bei ihm eingetreten war. Er saß nach vorne gebeugt und auf seine Ellbogen gestützt. Aus dem Aschenbecher kam der feine Rauch einer dort abgelegten Zigarre. Der Chef der Nachtexpreß-Fahrer trat einen Schritt weiter auf den Schreibtisch zu. Er konnte jetzt bemerken, daß es die heutige Ausgabe des Abendblattes war, die vor dem Dicken ausgebreitet lag.
„Herr Doktor —“
Bulle verbeugte sich in der Richtung des Schreibtisches.
,.— ich bitte recht sehr um Entschuldigung, aber —“
„Ach ja — richtig — Sie sind es. Was ist los?“
Dr. Malborn nahm seine Zigarre wieder vom Aschenbecher.
„Sie baten mich, Ihnen sofort Bericht zu erstatten, wenn die — die bewußte Sache so weit gediehen sei Bulle war nun doch erstaunt. Er hatte gedacht, mit mehr Interesse erwartet zu werden. Er hatte sich einen Dr. Malborn vorgestellt, der während der ganzen vergangenen Stunden vor Spannung wie auf Kohlen gesessen war und der beim Eintritt auf ihn losschießen würde mit der Frage: „Na — alles geklappt?? Los, Mensch, erzählen Sie schon! Ich platze vor Neugierde!“
Statt dessen saß dieser Dr. Malborn ruhig und unbewegt in seinem Ledersessel, zog an seiner Zigarre und meinte nur: „Ich verstehe nicht ganz — was meinen Sie?“
Das war nun schon beleidigend. Bulle kam noch einen weiteren Schritt näher auf den Dicken zu.
„Die Sache mit den Burschen vom Abendblatt. Alles ist in Ordnung. Der Kerl, von dem ich Ihnen erzählte, hat tatsächlich Wort gehalten und sämtliche Reifen durchgeschnitten. Bis auf acht oder zehn waren alle Räder unbrauchbar. Man hat den armen Kerl erwischt dabei. Ein paar Minuten zu früh. Sonst hätte er ganze Arbeit gemacht. Aber es genügte. Das Abendblatt kam heute überall zu spät. In den Außenbezirken ist es bis jetzt noch nicht angeliefert. Sie haben sich jetzt Taxis und eine Menge anderer Autos organisiert — “
Bulle zog seinen Gürtel um ein Loch enger. Das war eigentlich nicht nötig. Aber irgend etwas mußte er tun. Es war ja
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