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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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er dabei deren Holzwand mit seiner Lenkstange. Aber dann hatte er es geschafft. Er hob sich aus seinem Sattel und schoß mit gesenktem Kopf in die breite, gerade Strecke, die jetzt vor ihm lag.
    Als die Horde ihn an seinem roten Pullover erkannte, brüllte sie ihm über den ganzen Platz hinweg begeistert zu. Dabei fuchtelten sie alle mit ihren linken Schuhen durch die Luft. Schriftleiter Sprinter mit einem braunen Wildlederschuh.
    Endlich war jetzt der Platz frei. Die letzten beiden Fahrer allerdings, die noch auf ihm verblieben waren, mußten das Rennen bereits aufgeben. Man hatte ihnen im Gedränge an ihren Rädern die Speichen eingedrückt.
    Aus den Lautsprechern war wieder Musik zu hören. Aber wenn sich alle die Menschen auf den Tribünen, an den Fenstern und auf den Baikonen auch lebhaft zu unterhalten begannen, so war doch jetzt schon jedermann von der Spannung des Rennens gepackt.
    Da setzte die Musik wieder aus. Wie abgerissen. Alle Gespräche verstummten auf einen Schlag. Ein Rundfunksprecher, der mit seinem Mikrofon bei den Werften stehen mußte, gab in gehetzten Worten den ersten Bericht von der Strecke.
    „Achtung, Achtung! Ich stehe auf einem Ladekran der .Vereinigten Reedereien*. Auch hier sind alle verfügbaren Plätze, Fenster, Verladerampen von Rennbesuchern überfüllt. Alles schaut gespannt in Richtung der Dockstraße hinüber, von wo bereits die ersten Rufe zu hören sind. Wie eine ständig an wachsende Welle kommt dieses Rufen und Schreien jetzt immer mehr auf uns zu. Achtung, Achtung! Die ersten Besucher, die vorne an der Kurve der Union stehen, müssen jetzt das Feld gesichtet haben. Sie heben die Arme und beginnen die Spitze der Fahrer mit lauten Zurufen zu begrüßen Deutlich war aus dem Lautsprecher zu hören, wie der Lärm immer näher kam. Bis er jetzt beinahe die Stimme des Sprechers übertönte.
    „Einundzwanzig! Achtung! Achtung! Die Startnummer einundzwanzig biegt soeben als erster Fahrer des Feldes von der Dockstraße her zu den Werften ein. Er trägt ein rot-weißes Trikot und liegt etwa zwanzig Meter voraus. Hinter ihm folgt ein Rudel von sechs oder sieben Mann. Jetzt erkenne ich auch die übrigen Nummern: vier — sechzehn — zweiunddreißig — acht — vierzehn — siebenundsechzig — neunzehn. Die Fahrer sind bereits an mir vorbei und jagen der Kieler Straße zu. Achtung! Achtung! Eine neue Gruppe wird sichtbar. Weit voraus die Nummer siebenundneunzig!“
    Der Applaus, der jetzt aufkam, galt offensichtlich dem Einzelfahrer, der trotz seiner verhältnismäßig hohen Startnummer jetzt schon bei der Spitze des Feldes lag. Doch da war die Stimme des Sprechers wieder zu hören:
    „Mit höchstens zehn Meter Abstand verfolgt den Siebenundneunziger eine Gruppe von mehr als dreißig Mann. An ihrer Spitze, dicht nebeneinander, erkenne ich die Nummern zweiundsiebzig und dreiundsiebzig — während ich bei den übrigen Fahrern — “
    „Alibaba! Alibaba!“ Sam riß seine Hand mit dem linken
    Schuh in die Luft und schrie, als ob der Boß ihn tatsächlich hören könnte. Alles in der Nähe des Kiosks schaute sich lachend nach dem Jungen um. Der Horde war dieses plötzliche Indianergebrüll aber sichtlich peinlich. Brille legte dem kleinen schwarzen Kerl mit Nachdruck die ganze Breitseite seiner Hand über den Mund.
    Als die Nummer zweihundert von der Dockstraße zu den Werften einbog, hatte der dortige Sprecher die Übertragung bereits wieder an einen Kollegen weitergegeben, der sein Mikrofon an der gefährlichen Kurve des Großen Stern aufgestellt hatte. Die Leute vom Rundfunk interessierten sich lediglich für die Spitze des Feldes. Harald fuhr ein gutes, gleichmäßiges Tempo. Dabei ließ er sich nicht von anderen Fahrern beeinflussen. Seine Beine arbeiteten wie die Kolben eines Motors. Er überholte, ohne dabei seine Fahrt zu steigern. Selbst wenn andere an ihm vorbeischossen, ließ ihn das völlig ruhig. Er wandte auch keinen Blick auf all die schreienden und rufenden Menschen, die an ihm vorbeiflogen. Er sah nur auf die Strecke. Zehn oder fünfzehn Meter voraus. Genauso, wie er es von seinem Training her gewohnt war. Die Erregung, die ihn zu Anfang des Rennens befallen hatte, war überwunden. Auch sein Gehirn war jetzt ganz Motor.
    Inzwischen hatte die Spitze des Feldes den Großen Stern passiert. Die dortige Kurve zwang die Fahrer zu einem Abstoppen ihres Tempos. Sie waren beim Einbiegen von der Kieler in die Parimontstraße gezwungen, ihre Räder fast um hundertachtzig Grad

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