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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Allgewaltigen wieder.
    „Er sieht nämlich so aus wie ein Alibaba. Nun, Sie werden es ja sehen, wenn Sie ihm nachher das ,Grüne Band* überreichen.“ — Das Feld hatte den Hansaplatz überquert, und Mr. Voss setzte sich wieder auf seinen Platz zurück. Ein wenig außer Atem allerdings.
    Der Oberbürgermeister aber war ein älterer Herr mit weißen Haaren. Er hatte schon Pferde tanzen sehen in seinem langen Leben. Daher meinte er mit feinem Lächeln:
    „Wir werden ja sehen!“
    Und er sollte mit seinen Bedenken recht behalten. Am Ende der dritten Runde geschah das Unvorstellbare.
    Noch vom Großen Stern war die Meldung gekommen, daß die Nummer zweiundsiebzig erneut vorgestoßen sei und die Spitze des Feldes übernommen hätte. Tatsächlich kam dann auch der Rothaarige als erster den oberen Teil der Dockstraße heruntergeschossen, bog, dicht gefolgt von Bulle, der immer noch an seinem Hinterrad festklebte, zum Hansaplatz ein. Unter allgemeinem Jubel hatte er bereits das Marco-Polo-Denkmal erreicht, jagte an den Tribünen vorbei, überquerte die Ziellinie zum dritten Mal, und da — fünf Meter etwa hinter dem schmalen Band der Ziellinie hier geriet sein Rad ins Schwanken! Der Rothaarige hob sich aus dem Sattel und versuchte verzweifelt, die Maschine wieder in seine Gewalt zu bekommen. Eines seiner Beine schliff über die Erde — und dann stürzte er. Im Fallen noch riß er sich zur Seite, überschlug sich, konnte dabei aber sein Rad von sich stoßen, so daß es fast zehn Meter abseits auf den Asphalt knallte. Bulle war noch im letzten Augenblick zu den Tribünen hin ausgewichen und schoß nun allein und als erster des Feldes in Richtung der Werften davon.
    Alle die Menschen hatten beim Sturz des Rothaarigen aufgeschrien wie ein Mann. Und wenn auch jetzt die übrigen Fahrer des Feldes in Sicht kamen, so wandte sich doch auch weiterhin ihr Interesse dem Jungen zu, der sich nun inmitten des Platzes gerade wieder aufrichtete. Es war kein Rufen mehr zu hören. Nur das Summen erregter Stimmen schwebte über dem weiten Platz.
    Die Jungen des Abendblattes standen wie gelähmt. Einige waren vom Dach des Kiosks heruntergesprungen und wollten ihrem Boß zu Hilfe eilen. Aber man ließ sie nicht durch die Absperrungen. An ihrer Stelle rannten jetzt zwei Ordner mit ihren weißen Armbinden auf Alibaba zu.
    Dieser stand aber längst wieder auf seinen beiden Beinen. Bestimmt wäre er auch schon wieder auf seinem Rad gesessen, aber er wußte jetzt, warum er gestürzt war.
    Plötzlich hatte er nämlich mitten auf dieser aalglatten Strecke ins Leere getreten. Da, hier — dieses Ding, das ihm noch mit dem Rennhaken angeschnallt am Fuß hing, war schuld! Dieses kleine verdammte Ding. Fluchend schleuderte er das abgebrochene Pedal von sich.
    Einer der Ordner hatte inzwischen Alibabas Rad vom Asphalt aufgelesen. Der Rothaarige nahm es an sich und ging damit von der Mitte des Platzes. Was half es, daß ihm die Rennbesucher seinen Abgang mit Beifall erleichtern wollten — Aus! Alles war umsonst gewesen!
    In diesem Augenblick kam Harald an der Spitze eines ganzen Rudels auf die Ziellinie zugeschossen. Alibaba erkannte den Jungen an seinem roten Rollpullover sofort. Unwillkürlich rief er ihn an, hob dabei das abgebrochene Pedal in die Luft und warf auch sein Rad wieder zur Erde, um dem Jungen verständlich zu machen, daß er gestürzt sei.
    Und im selben Augenblick rief und brüllte es auch schon wie aus heiterem Himmel vom Dach des Zeitungskiosk herunter:

    „Ha-rald!“
    „Ha-rald!“
    „Ha-rald!“

    Es klang wie ein Hilferuf.
    Er allein war jetzt noch die Hoffnung der Horde. Und Harald, der seinen Boß im Vorbeifahren mit einem kurzen Blick gestreift hatte, der jetzt die Rufe der Jungen hörte, schien begriffen zu haben. Die Zusammenhänge mochten ihm noch unklar sein. Aber er sah ja, daß Alibaba ausgeschieden war. Und daß jetzt nur noch er den Namen des Abendblattes zu verteidigen hatte, das brauchte ihm nicht gesagt zu werden.
    Er hatte eigentlich erst in der letzten Runde sein Tempo steigern wollen, um wenigstens noch mit der Spitzengruppe durchs Ziel zu gehen. Mehr hatte er nach seinem schlechten Start nicht mehr für sich erhoffen dürfen. Doch damit war es von dieser Minute an vorbei. Jetzt war er es der Horde schuldig, alles daranzusetzen, um zumindest unter den ersten Drei dieses Rennens zu sein, damit der Name des Abendblattes wenigstens in die Siegerliste käme. Alibaba war ausgefallen, weil er gestürzt war. Fast

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