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Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag

Titel: Die Furcht des Weisen / Band 2: Die Königsmörder-Chronik. Zweiter Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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schlimmsten Fall wäre jemand gekommen, und ich hätte einen Gegner mehr gehabt.
    Zwei hielten mich also fest, und der dritte schnitt mir die Kleider vom Leib. Dabei schnitt er auch mich. Sie sagten, was sie mit mir anstellen wollten. Ich spürte ihren Atem schrecklich warm an meinem Gesicht. Sie lachten.
    Doch wie ich hilflos und halb nackt am Boden lag, überkam mich plötzlich besinnungsloser Zorn. Ich biss zwei Finger von der Hand ab, die mir den Mund zuhielt. Der Junge fuhr mit einem Aufschrei hoch. Dann versuchte ich den Jungen abzuwerfen, der noch auf mir saß. Ich hörte, wie mein Arm brach, und sein Griff sich lockerte, und ich begann zu brüllen.
    Ich warf ihn ab und stand brüllend auf. Die Kleider hingen mir in Fetzen vom Leib. Ich schlug den Jungen nieder, bekam einen losen Pflasterstein zu fassen und brach ihm damit das Bein. Ich höre das Geräusch heute noch. Wie besessen schlug ich auf ihn ein, bis ich ihm auch die Arme gebrochen hatte, und dann zerschmetterte ich ihm den Schädel.
    Als ich aufblickte, sah ich, dass der Junge, der mich geschnitten hatte, verschwunden war. Der dritte hockte an einer Mauer, drückte seine blutende Hand an die Brust und stierte mich mit aufgerissenen Augen an. Ich hörte Schritte näherkommen, ließ den Stein fallen und rannte weg.
    Jetzt, Jahre später, verwandelte ich mich plötzlich wieder in diese Bestie. Ich warf den Kopf in den Nacken und fletschte innerlich die Zähne. Ich spürte etwas tief in mir und griff danach.
    Eine gespannte Ruhe ähnlich der Ruhe vor einem Gewitter erfüllte mich, und die Luft um mich gefror.
    Mir war kalt. Wie unbeteiligt sammelte ich, was ich über mich wusste, und fügte es zusammen. Ich war der fahrende Schauspieler Kvothe, ein gebürtiger Edema Ruh, der Student Kvothe, Re’lar unter Elodin, und der Musiker Kvothe. Ich war Kvothe.
    Ich stand auf und blickte auf Felurian hinab.
    Mir war, als sei ich zum ersten Mal in meinem Leben ganz wach. Alles erschien mir so deutlich und scharf umrissen, als sähe ich esmit neuen Augen. Oder als sähe ich es statt mit den Augen direkt mit dem Bewusstsein.
    Der schlummernde Geist schläft nicht mehr,
dachte ich und lächelte.
    Ich sah Felurian an, und sie lag auf einmal vor mir wie ein aufgeschlagenes Buch. Sie gehörte zu den Fae. Richtig und Falsch kümmerten sie nicht, sie war wie ein Kind, völlig von ihren Wünschen bestimmt. Ein Kind denkt nicht an die Folgen, genauso wenig wie ein Gewitter es tut. Felurian ähnelte sowohl dem Kind wie dem Gewitter und war doch ganz verschieden. Sie war alt, unschuldig, mächtig und stolz.
    Sah Elodin die Welt auf diese Art? War dies die Magie, von der er sprach? Die Magie Taborlins des Großen, die nicht aus irgendwelchen geheimen Tricks bestand und die immer da war, die ich aber bisher nicht gesehen hatte?
    Es war schön.
    Ich begegnete Felurians Blick, und die ganze Welt schien auf einmal stillzustehen. Mir war, als wäre ich unter Wasser gestoßen worden und als sei alle Luft aus meinem Körper gewichen. Für die Dauer einer Sekunde war ich wie betäubt, wie vom Blitz getroffen.
    Doch der Moment verging, und die Welt bewegte sich wieder. Als ich jetzt in Felurians dämmrig blaue Augen blickte, sah ich bis auf ihren tiefsten Grund. Ihre Augen waren wie vier Zeilen aus Musik, die ich deutlich vor mir sah. Unvermutet erfüllte mich ihre Musik. Ich holte Luft und sang vier Töne.
    Felurian setzte sich auf. Sie führte die Hand an den Augen vorbei und sprach ein Wort, das so scharf war wie eine Glasscherbe. Ich spürte Schmerzen im Kopf wie von einem Donnerschlag. An den Rändern meines Blickfelds flackerte Dunkel. Ich schmeckte Blut und bittere Reue.
    Dann sah ich wieder klar und fing mich, bevor ich stürzte.
    Felurian runzelte die Stirn, straffte sich und stand auf. Mit angespannter Miene ging sie einen Schritt.
    Stehend war sie weder besonders groß noch furchterregend. Sie reichte mir mit dem Kopf kaum bis ans Kinn. Ihre Haare hingen wie ein schwarzer Schatten kerzengerade bis zu ihren runden Hüften hinab. Sie war schlank, hell und vollkommen. Nie habe ich ein so anmutigesGesicht gesehen, nie einen Mund, der so sehr zum Küssen geschaffen war. Sie runzelte nicht länger die Stirn und lächelte auch nicht. Ihre weichen Lippen waren leicht geöffnet.
    Sie machte wieder einen Schritt. Die einfachste Bewegung ihres Beins glich einem Tanz, der ruhige Schwung ihrer Hüften war hinreißend wie der Anblick eines Feuers. Die Wölbung ihres nackten Fußes war

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