Die Gabe der Magie
und ich starrte auf
seinen Rücken, während er durch den Flur lief und in den Schatten verschwand.
Ich brauchte einige Augenblicke, um mich wieder zu sammeln. Es war nicht
schwer, sich zu überlegen, woher er meinen Namen wusste. Er hatte gesehen, wie ich
neben der Kutsche stand. Niemand außer meinem Vater besaß solche weißen Ponys,
und der Name Malek war berühmt dafür, wie auch für Dutzende andere Dinge. Und
Levin hatte meinen Namen gerufen. Aber … war ich in der vergangenen Nacht so
verängstigt gewesen, das Wort Fischjunge derart laut zu murmeln, dass er es
hören konnte? Was hatte er sonst noch gehört? Dass ich so tat, als unterhielte
ich mich mit meiner Mutter?
Meine Wangen brannten, und mir war flau im
Magen, als ich auf den Gang trat, dann jedoch mitten im Schritt Halt machte,
von einer Steinmauer aus meinen Gedanken gerissen. Ich stand davor und
verfluchte mich selbst, weil ich nicht genug
aufgepasst hatte. Dann, ohne Vorwar nung, öffnete sich der Stein.
Das klingt unmöglich, ich weiß, aber das
ist es, was geschah. Er glitt nicht zur einen oder der anderen Seite, wie die
schweren Eisenholztüren zu Hause. Auf dem Stein funkelte eine breiter werdende
kreisförmige Stelle, dann erschien ein Loch. Die Ränder waren weich und
gläsern, als sei das Gestein geschmolzen, aber ich spürte keinerlei Hitze. Mein
Vater kannte so etwas nicht, da war ich mir sicher. Ansonsten hätte er es
gekauft.
Ich trat durch die Öffnung und sah, dass
alle anderen bereits da waren. Sie saßen in einem unregelmäßigen Halbkreis vor
dem Zauberer. Er sah mich eindringlich an. Sein Haar war milchweiß und kurz
geschoren, und seine Augen hatten einen tiefen, traurigen Braunton. Seine Beine
hatte er auf merkwürdige Weise gekreuzt, sodass ich mich fragte, ob er
verkrüppelt war. Die Knie schienen verdreht, und die Sohlen seiner nackten Füße
waren zu sehen. Er starrte mir in die Augen, bis ich mich in die hintere Reihe
der Gruppe auf den kalten Steinfußboden setzte, wobei ich die Beine unterschlagen
musste, was auf dem harten Untergrund sehr unbequem war. Ängstlich sah ich den
Zauberer an. Schließlich hob dieser den Kopf und begann zu sprechen.
»Heute werdet ihr damit beginnen, eure
Gedanken zu kontrollieren.« Er legte den Kopf schräg. »Natürlich bedeutet das,
dass ihr alle Hoffnungen auf Kontrolle fahren lassen müsst.« Er wartete ab,
während wir auf dem kalten, sandigen Boden herumrutschten, um Blicke auszutauschen.
Dann malte sich auf sein Gesicht ein dünnes, vorsichtiges Lächeln. »Ich heiße
Franklin«, sagte er leise. »Willkommen. Es
ist an der Zeit, sich mit dem Parado xen zu beschäftigen.«
17
SADIMA SCHLENDERTE ÜBER DEN MARKTPLATZ UND
UMKLAMMERTE IHR BÜNDEL. SIE WAR ZU VERÄNGSTIGT, um irgendjemanden
irgendetwas zu fragen. Die Menschen um sie herum schienen alle zu schreien, zu
laut zu lachen und über Unwichtiges in Zorn zu geraten. Sie entschied sich für
eine Richtung und lief los, denn sie wünschte sich nichts sehnlicher, als den
Rand des Marktplatzes zu erreichen, die dicht gedrängte Menschenmenge hinter
sich zu lassen und dem Gewirr ihrer Stimmen zu entgehen.
Als sie an einem großen Baldachinzelt
vorbeiging, entdeckte sie überrascht einen Mann, der malte. Eine Frau in
blaugrünem Rüschenkleid saß vor ihm, das Kinn gereckt, die Haltung steif.
Sadima konnte die Ähnlichkeit auf dem Papier entdecken. Das Bild war gelungen
und schmeichelhaft, aber die Haarfarbe stimmte nicht ganz. Sie sah an dem Mann
vorbei. Noch fünf oder sechs weitere Maler arbeiteten hier, und sie beobachtete
sie genau, lernte neue Pinselstriche und starrte auf die vollkommenen Abbilder
von Gebäuden und die Reinheit ihrer Pigmente. Sie beneidete die Künstler um die
ausgeklügelten Holzständer, die das Papier
in einem angenehmen Win kel für sie hielten, während sie arbeiteten. Dann
entdeckte Sadima auf einer Seite eine Frau mit einem schwarzen Umhang, die schnellen Schrittes ging, und sie rannte ihr
hinterher.
Die Magierin war eine Frau mit lauter
Stimme, deren Lippen und Fingernägel schwarz
angemalt waren. In ih rer bestickten Tasche hatte sie einen Stapel
Karten, die mit verschlungenen Tintenmustern bemalt waren. Als sie begriffen
hatte, dass sich Sadima nicht die Zukunft vorhersagen lassen wollte, sondern
nach zwei Männern namens Franklin und Somiss suchte, steckte sie die Karten
wieder weg. Sie stellte sich selbst als Wahrsagerin vor, als Maude Truthteller,
und hörte dann nicht mehr auf zu
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