Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
Vom Netzwerk:
schmerzten und wurden blutig. Meine Füße waren
so wund und geschwollen, dass die ersten zehn oder zwölf Schritte nach dem
Aufstehen mir Höllenqualen bereiteten.
    Die nächsten beiden Unterrichtsstunden bei
Franklin waren ganz idiotisch, und es kam mir so vor, als lägen nur einige
Stunden dazwischen. Ich war müde, wenn ich mich hinlegte, und noch erschöpfter,
wenn das Pochen an der Tür uns aus dem Schlaf riss. Franklin wollte, dass wir
im Unterricht unseren Geist zur Ruhe brachten. Das schien mir das völlige
Gegenteil von allem, was die anderen Lehrer von mir verlangt hatten.
    Am Ende der zweiten Stunde trug er uns
auf, mit der Lektüre des einen der beiden Bücher in unseren Zimmern zu beginnen – Die Geschichte und das
Ziel der Limori-Akademie. Zum
Glück war es dieses Buch; das andere war in einer Sprache verfasst, die ich
noch nie zuvor gesehen hatte. »Fischjunge« Gerrard schien sie zu kennen. Ich
hatte Angst davor, sie lernen zu müssen. Meine ersten sieben Lebensjahre lang hatte
ich bis mittags Yama gesprochen, Thereistisch bis zum Abendbrot und unser
eigenes Ferrindisch bis zum Schlafengehen. Ein Mann, der diese drei Sprachen beherrschte,
so hatte mein Vater gesagt, konnte überall in der großen, weiten Welt Handel
treiben, bis hin zu den Inseln hinter den Kolonien. Keine davon würde mir nun
viel nützen. Vielleicht war Gerrards Vater kein Eridianer. Vielleicht hatte er
schon lange geplant, seinen Sohn hierherzuschicken, und hatte sich vorher die
Mühe gemacht, ihn darauf vorzubereiten.
    Nach Franklins zweiter Unterrichtsstunde
las ich die ersten Seiten des Buches, dann fielen mir die Augen zu. Ich war mir
nicht sicher, wie lange ich geschlafen hatte, aber es fühlte sich an wie eine
halbe Stunde. Oder weniger. Der Zauberer, der uns zur dritten Stunde abholte,
hämmerte gegen die Tür und führte uns dann einen Weg entlang, der sich wie eine
vollkommen neue Strecke anfühlte. Ich prägte mir die ersten sechs von elf Abbiegungen
ein und konnte nur hoffen, dass Gerrard-der-Allmächtige es zulassen würde, dass
ich ihm auf dem Rückweg die ersten fünf folgte. Bislang hatte er mich geführt,
und ich war dankbar. Er sprach kaum, und wenn er etwas sagte, dann waren es nur
drei oder vier Worte. Es war, als hätte ich einen Stuhl als Zimmergenossen. Schlimmer.
Auf einem Stuhl konnte man immerhin sitzen.
    Die dritte Unterrichtsstunde war beinahe
ebenso sonderbar. Franklin schien den Lehrplan vergessen zu haben. Es gab keine
Diskussion, keine schriftlichen Aufgaben, keine Darstellung von Fakten oder
Ahnenreihen von Königen, die es auswendig zu lernen galt. Nichts.
    Franklin starrte lediglich auf einen Punkt
mitten in der Luft und sagte uns, wir sollten unseren Geist leeren. Meine
Gedanken ließen sich nicht aufhalten. Die meisten von ihnen kreisten darum, wie
leer mein Magen war und wie sehr der stinkende Futtersack meine Haut
aufgeschabt hatte. Und ich dachte an meinen Vater. Ich dachte in einer Art und
Weise an ihn, für die ich mich schämte, aber so war es schon mein ganzes Leben
gewesen. Ich stellte mir vor, wie ich ihn eigenhändig wegstieß, so kräftig,
dass er umfiel und reglos liegen blieb.
    Meinen Vater.
    Wo auch immer er sich in ebenjenem
Augenblick befand: Wenn er mit den Fingern schnippte, würden Dienstboten
herbeieilen, die begierig darauf waren, herauszufinden, was er wollte.
Vielleicht saß er gerade bei einer Mahlzeit, dachte ich und starrte auf
Franklins geschlossene Augen, aber ich sah unsere Küche zu Hause vor mir.
Möglicherweise genoss mein Vater in ebendiesem Moment Celias ausgezeichnete
Kochkünste. Und wenn meine Mutter verweint oder meinetwegen besorgt aussähe,
würde er sie schelten oder Schlimmeres. Was hatte
er Aben gesagt? Hatte er ihm überhaupt irgendet was mitgeteilt? Mein Bruder
würde zum Winterfest nach Hause kommen. Wäre er zornig, wenn er es herausfände?
Er mochte mich, auch wenn er mich nie verstanden hatte. Wie sollte er auch? Wir
waren so verschieden wie Tag und Nacht.
    Ich hörte Franklin erneut sagen: »Leert
euren Geist.«
    Erschrocken versuchte ich es, aber nicht
nur, dass es eine idiotische Übung war, sie war auch unmöglich. Ich war
ängstlich und wütend. Und hungrig. So hungrig. Die Gedanken rasten in meinem
Kopf.
    Als sich Franklin schließlich erhob und
uns sagte, wir sollten zurück in unsere Zimmer gehen, stand ich rasch auf und
bereitete mich darauf vor, Gerrard durch die langen Tunnel zu folgen. Er ließ
es auf die gleiche Art wie immer zu. Er

Weitere Kostenlose Bücher