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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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Ärmeln meines Umhangs verborgen zurückzubringen, sodass
niemand auf die Idee kommen würde, mich deshalb zu schlagen. Aber ich war immerzu
hungrig. Und tagein, tagaus nichts außer Äpfel zu essen, das brachte meine Eingeweide
ganz schön in Aufruhr. Die meiste Zeit schiss ich Wasser, und die Krämpfe
machten es mir schwer, in den Schlaf zu finden. Ich fühlte mich steif und benommen, und ich war zu mü de, um nachzudenken.
    Franklin tat in seinem Unterricht, als ob
es uns gut ginge und alles in Ordnung wäre. Ich hasste ihn dafür. Mehr als einmal
bemerkte ich, dass er mich beobachtete. Musterte er alle Jungen auf
diese Weise?
    Das war das Schlimmste von allem. Franklin
benahm sich, als ob nichts geschehe und als ob er nicht merke, dass wir
verhungerten. »Nun sollt ihr das dritte Muster lernen«, sagte er mit seiner
sanften Stimme. »Einmal langsam ein- und langsam ausatmen, dann zweimal
schnell, dann wieder langsam. Beginnt damit.«
    Es war idiotisch. Wir waren bei unserem
vierten Atemmuster, und die meiste Zeit über war mir so schwindelig, dass mir keines
davon einfiel, bis Franklin unsere Erinnerung wieder aufgefrischt hatte. Immer
häufiger stellte ich fest, dass ich ihn einfach nur anstarrte und meine
Gedanken rasten.
    »Sir?«, begann Will
eines Tages, als die Stunde beina he vorüber war.
    »Ja?«, antwortete Franklin mit seiner
ruhigen Stimme, die einen verrückt machen konnte.
    Will räusperte sich. So dünn, wie er
mittlerweile geworden war, sah er eher wie ein Sechsjähriger aus. »Wie lange dauert es noch, bis wir etwas zu essen bekommen?«
    Franklin antwortete nicht.
    Will räusperte sich noch einmal. Alle
außer Franklin starrten ihn an. Dessen Augen waren fest auf einen Punkt hoch
oben an der gegenüberliegenden Wand geheftet, als ob er nichts gehört hätte.
    »Will fragt sich, wie lange es noch
dauert, bis wir etwas zu essen bekommen«, hob Joseph an. »Somiss sagte, wir
würden sterben, aber die meisten von uns glauben, dass das nur … eine
Übertreibung war«, endete er mit schleppender Stimme.
    »Das war es nicht, Joseph«, entgegnete
Franklin so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob ich ihn richtig ver standen hatte. Aber auf jedem Gesicht im Raum
zeichne te sich Entsetzen ab, und so wusste ich, dass ich mich nicht
verhört hatte. Ich starrte Gerrard an. Er sah entsetzlich aus. Seine Augen lagen in tiefen Höhlen, und seine
brei ten Schultern unter dem Umhang sahen aus wie bei einem Skelett.
    »Wenn unsere Väter
das gewusst hätten«, sagte Jo seph,
»dann hätten sie uns niemals hierherkommen lassen.«
    »Man hat ihnen gesagt, dass sie euch
vermutlich nie wiedersehen werden«, entgegnete
Franklin. Seine Stim me war flach und gefühllos. Er erhob sich, und das
Licht der Fackel spielte auf seinem Gesicht. Er sah so alt aus, als sähe man
eine der aufeinandergestapelten Leichen auf dem Feld der Bettler vor sich, nur
dass ihm die Tränen über die Wangen liefen. Dann, ehe irgendjemand sonst etwas
zu ihm sagen konnte, verschwand er.
    Wir saßen reglos da, alle zehn, blinzelten
und starrten vor uns hin. Ich wusste nicht, was die anderen dachten, aber ich
versank in bitterem Hass auf meinen Vater. Es war beinahe ein Trost.

31
     
    WIE IMMER SPÜLTE SADIMA DIE QUARKBALLEN
SORGFÄLTIG AB, DANN SCHLUG SIE SIE IN FEIN GEWOBENES Tuch, um sie vor den Fliegen zu schützen. Rinka summte während der
Arbeit leise vor sich hin. Spülen, einschlagen,
pressen, aufhän gen. Hunderte von Haken hingen über dem langen Kupfertrog.
Sadima befestigte jedes Bündel der fertigen Laibe eine Aufhängung weiter rechts
und kennzeichnete die letzte an jedem Tag mit einem Stückchen roten Stoffs,
damit Rinka das Alter der Bündel auf einen Blick bestimmen und im Auge behalten
konnte, wie viel sie jeden Tag schafften. Die ältesten Käselaibe wurden zuerst
gesalzen und in Wachs getaucht.
    »Zu Hause benutzen wir Kräuter«, sagte
Sadima.
    Rinka blickte auf. »Das würde ich auch
gerne, aber wir können es uns nicht leisten.«
    »Warum denn nicht?«, fragte Sadima, legte
die einge schl agenen Weichkäse zwischen die Pressbretter und beschwerte das obere davon mit einem
flachen Stein, der immer in Reichweite lag. »Majoran und Rosmarin müssen nichts
kosten. Ich weiß, wo man sie finden kann …«
    »Nein«, unterbrach Rinka sie. »Angehörige
der königlichen Familie verkaufen ihre Kräuter in Limori. Der König verbietet,
dass irgendjemand sonst welche in die Stadt bringt.«
    Sadima drehte sich zu ihr um und

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