Die Gabe der Patricia Vanhelsing - 5 Patricia Vanhelsing-Romane (Sonderband) (German Edition)
du hörst Gespenster!"
"Nein, wirklich!"
"Linda..."
"Hör doch mal hin!"
Sie faßte nach seiner Hand und drückte sie, während sie gemeinsam in die Nacht hineinlauschten. Ihre Blicke wanderten über den Jahrmarkt, der noch vor zwei Stunden ein Ort voller Lärm und Licht gewesen war. Jetzt war hier nichts mehr los. Der Wind heulte zwischen den Karussells und Buden hindurch. Eric machte ein angestrengtes Gesicht und schüttelte dann abermals den Kopf.
"Du hast dich verhört, Linda?"
"Nein, ich..." Sie schluckte. Er legte ihr zärtlich den Arm um die Schulter.
Gerade noch waren ihrer beider Lippen zu einem Kuß voller Leidenschaft vereint gewesen. Eine wundervolle, laue Nacht, ein Augenblick voller Romantik... Doch für Linda schien das jetzt auf einmal wie weggeblasen zu sein. Sie wirkte starr und verkrampft. Ihre Augen schienen in der Dunkelheit der Nacht, zwischen all den wabernden Schatten, die inmitten der dunkel sich gegen das Mondlicht abhebenden Karussells tanzten, nach etwas zu sehen...
"Komm", sagte Eric und versuchte, sie wieder an sich zu ziehen.
Aber sie schüttelte den Kopf.
"Eric, da ist irgend jemand..."
"Linda..."
"Ich weiß es."
In diesem Moment gellte ein heiserer Schrei durch die Nacht. Ein Schrei, der einem buchstäblich das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte. Im selben Augenblick flackerten plötzlich Hunderte von Lichtern auf. Das bis dahin nur als monströser Schatten sichtbare Riesenrad setzte sich wie von Geisterhand bewegt - in Bewegung. Ein scharfes, knarrendes Geräusch erfüllte dabei die Luft.
"Mein Gott, was ist das?" flüsterte Eric.
"Da muß etwas passiert sein!" murmelte Linda. Sie sahen sich an. Jeder sah den Schrecken im Gesicht des anderen.
"Komm", sagte Eric dann.
Er nahm sie bei der Hand. Sie gingen mit schnellen Schritten durch die engen Gassen. Die Leuchtgirlanden blinkten in einem halben Dutzend Farben auf. Laternen flackerten und schienen verrückt zu spielen. Ein Tanz der Lichtreflexe, der die Augen sehr anstrengte.
Ein ächzendes Geräusch ließ sie beide herumfahren. Sie sahen, wie sich eines der Kinderkarussells auf gespenstische Weise in Bewegung setzte und sich zu drehen begann.
Eric und Linda begannen schneller und schneller zu laufen, schließlich rannten sie. Sie kamen um eine Biegung. Vor dem Spiegelkabinett lag eine Gestalt auf dem sandigen Boden.
Zögernd näherten sich Eric und Linda.
Die Gestalt war ein Mann, dessen Augen starr gen Himmel gerichtet waren und unnatürlich weit aufgerissen schienen. Das pure Entsetzen stand ihm im Gesicht geschrieben, während sich das Mondlicht in seinen toten Augen spiegelte.
"Nein...", flüsterte Linda.
Sie wollte sich niederbeugen, aber Eric faßte sie bei den Schultern und verhinderte das. "Linda, sieh nur!" rief er. Sie folgte mit den Augen jener Richtung, in die Eric gedeutet hatte und erstarrte vor Entsetzen. Das Grauen koch ihr wie eine klamme, grabeskalte Hand den Rücken empor und eine Gänsehaut überzog ihre Unterarme. Ihr Mund öffnete sie wie zu einem Schrei, aber kein einziger Laut kam über ihre Lippen.
Hinter dem Spiegelkabinett war eine gespenstische Gestalt ins Mondlicht getreten.
Ein grinsender Totenschädel sah sie mit leeren Augenhöhlen an.
Der gehörnte Wikinger-Helm sah grotesk aus.
Der Skelettkrieger! durchzuckte es Linda. Er sieht aus wie der Skelettkrieger, der vor der Geisterbahn Wache hält!
Der Gang des Skeletts war von eigenartiger Leichtigkeit und wirkte beinahe federnd.
Der Skelettkrieger kam näher.
In der Rechten schwang er seine monströse Streitaxt mit der rotgefärbten Schneide.
"Das kann nicht sein!" flüsterte Eric. "So etwas kann es nicht geben!"
Die Antwort war ein schauerliches Gelächter, das irgendwie von dieser gespenstischen Erscheinung herzurühren schien. Die Lichter auf dem gesamten Jahrmarkt flackerten auf. Und das Riesenrad drehte sich in einem nahezu wahnwitzigen Tempo. Der Skelettkrieger schwang die Axt mit einem sirrenden Geräusch durch die Luft. Sein Lachen verebbte. Er wandte den Kopf. Starrte Linda einen Moment an, dann Eric.
"Weg hier, Eric! Nur weg hier!" schluchzte Linda auf. Sie wichen zurück, dann begannen sie zu laufen, während um sie herum das blanke Chaos auszubrechen schien. Überall setzten sich auf geheimnisvolle Weise Dinge in Bewegung. Hinter sich hörten sie die leichten, federnden Schritte des Skelettkriegers, dessen grauenhaftes Lachen immer näherzukommen schien.
Eric faßte Linda fest bei der Hand und zog sie
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