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Die Gabe des Commissario Ricciardi

Die Gabe des Commissario Ricciardi

Titel: Die Gabe des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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ihr. Sie sah jetzt im Übrigen auch die deutlichen Zeichen der Müdigkeit in seinem Gesicht und wollte den Bogen nicht überspannen. Für diesen Abend war es genug.
    Im Wagen vor Ricciardis Haus in der Via Santa Teresa verabschiedete er sich von ihr und schickte sich an auszusteigen; sie legte ihm die Hand auf den Arm und sagte:
    – Danke. Danke, Ricciardi. Du hast mir heute Abend ein
wunderschönes Geschenk gemacht; das werde ich dir nicht vergessen.
    Und bevor er etwas erwidern konnte, drückte sie ihre Lippen zu einem flüchtigen Kuss auf seine.
    Draußen auf der Straße blickte der Kommissar instinktiv zu Enricas Fenster, und zum ersten Mal war er froh, dass die Läden geschlossen waren.

    Die alte Enrica hätte, wie die neue, hinter geschlossenen Fensterläden auf die Rückkehr des geliebten Mannes gewartet, da sie sich Sorgen machte, weil es schon spät war und sie bei ihm kein Licht sah.
    Sie hätte, wie die neue Enrica, von ihrer Küche aus, die zur Straße hinausging, stumm zu seinem Zimmer herübergeschaut, um ihre Eltern nicht zu wecken. In der Hand hätte sie ein Glas Wasser gehalten, um einem zufällig nachtwandelnden Familienmitglied eine beiläufige Erklärung liefern zu können.
    Die alte Enrica, die bis zu jenem Morgen existierte, hätte der Ankunft des glänzenden Fahrzeugs, das zu so später Stunde vor der Hausnummer 107 in der Via Santa Teresa hielt, mit klopfendem Herzen beigewohnt. Genau wie die neue.
    Ähnlich der neuen Enrica hätte die alte die Augen hinter ihrer eilig vom Nachttisch geholten Brille scharf gestellt, um zu sehen, was in dem mit laufendem Motor wartenden Auto passierte, wie ein Dschungeltiger in einem Roman von Salgari, und gesehen hätte sie, wie auf der von einer Laterne beleuchteten Rückbank die kleinere Gestalt näher zu der größeren heranrückte, um besser mit ihr sprechen zu können. Bevor sie mit dem Kopf nach vorne schnellte wie eine Giftschlange und sich mit der anderen zu etwas verband, das beiden Enricas ganz eindeutig als ein Kuss erschienen wäre.
    Die alte Enrica, wie übrigens auch die neue, hätte den Mann, in den sie hoffnungslos verliebt war, aus dem Fahrzeug steigen und dieses wegfahren und schließlich aus ihrem Blickfeld verschwinden sehen; sie hätte gesehen, wie der Mann nach oben blickte, nämlich ganz genau zu ihr, die im Dunkeln, hinter den geschlossenen Fensterläden, unsichtbar war, dann seufzte und mit gesenktem Kopf die Haustür öffnete, um schlafen zu gehen.
    Die alte Enrica wäre verzweifelt gewesen und vielleicht hätte sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen, um wortlos zu schluchzen. Doch die alte Enrica gab es nicht mehr.
    Die neue Enrica verengte die Augen zu Schlitzen, spannte den Kiefer an und lächelte wie eine Katze. Sie murmelte: Na gut. Wir werden ja sehen.
    Und dann ging sie ins Bett.

XLVI
    Der Morgen des 23. Dezembers gab der Welt zu verstehen, dass der Spaß nun vorbei war, weil Weihnachten direkt vor der Tür stand.
    Der Himmel zeigte sich bleifarben, denn eine dichte Decke grauer Wolken, die in der Nacht von Norden her aufgezogen waren, wartete entschlossen darauf, an den Feierlichkeiten in irgendeiner Weise teilzunehmen, die vorerst nur ihr bekannt war.
    Die Luft stand still, war kalt und ungemütlich, wie es sich gehört, um allen deutlich zu machen, dass die Menschen nach drinnen ins Haus gehörten, wo Lieder und Gelächter ertönten, Öfen und Kamine es behaglich warm werden ließen und tausend Lampen und Lämpchen in den zu diesem Anlass geöffneten Wohnzimmern leuchteten.
    Auf den Straßen gingen noch dieselben Leute, doch ihre Unruhe war anderer Natur. Ihre Zeit war abgelaufen, die Geschenke musste man schon gekauft oder zumindest beschlossen haben, das Essen festgelegt, die Zutaten mussten sich bereits im Speiseschrank befinden und die Wohnung geschmückt sein. Wer seine Einkäufe noch nicht erledigt hatte, lief finster herum, von einem unbestimmten Schuldgefühl geplagt, und hatte sich damit abgefunden, mindestens alles teurer zu bezahlen als die Vorausschauenden, die schon lange zuvor tätig geworden waren.
    Zu kaufen gab es durchaus noch etwas: In einem letzten, verzweifelten und verführerischen Lockruf versuchte die Ware ihre potenziellen Käufer anzuziehen.
    Die Läden wetteiferten miteinander um die fantasievollsten Auslagen und boten ganze Wände hängender Wurstwaren über Bergen getrockneter Feigen und Datteln feil, die mit Gold- und Silberfäden verziert waren. Unter Bögen aus Laub und geflochtenen

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