Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gassen von Marseille

Die Gassen von Marseille

Titel: Die Gassen von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilles Del Pappas
Vom Netzwerk:
Schweiß bedeckt meinen glühenden Körper. Ich muss meine Liebste mit meinem Körper beschützen. Ihren lebendigen, vollen, warmen Leib …
    Die uniformierten Männer reißen mich zur Seite und durchbohren Juliette mit Bajonettstichen. Sie schreit, zu Tode getroffen. Ich versuche, mit meinen Händen den Feuerstahl zur Seite zu stoßen. Aber es ist schon zu spät, und Stich für Stich spritzen die Klingen das schreckliche Gift in ihren gemarterten Organismus. Ich verliere sie.
     
    »Beruhige dich, Constantin … Es ist nur ein Traum … Constantin!«
    Schweißgebadet öffne ich die Augen. Alles ist noch da, Juliette, Guyana, die Soldaten, alles …
    Ich bin schweißgebadet.
    »Ich hatte einen Albtraum.«
    Philippe ist da, er wirkt bedrückt.
    »Ich weiß, ich habe es gesehen … Beeindruckend! Du hast geschrien wie eine verlorene Seele. Ich habe mir erlaubt, dich zu wecken … Du hast mir leidgetan … Das hörte ja gar nicht mehr auf. Es war furchtbar …«
    Er wechselt das Thema.
    »Ich hab Kaffee gemacht … Und danach verdrück ich mich wohl. Willst du weiterschlafen, oder möchtest du mit mir frühstücken?«
    Die Sonne schiebt sich ein Stück ins Zimmer. Von einem nach Korsika auslaufenden Schiff dringen Kommandos zu uns herein. Irgendwo singt ein verspäteter Muezzin.
    »Allahu akbar! Aschhadu an la ilaha illallah …«
    Aber vielleicht ist es ja auch das Radio!
    Philippe ist angezogen und frisch rasiert. Es muss früh sein. Sechs Uhr, schätze ich.
    »Wie schaffst du es bloß, so früh aufzustehen? Wie spät ist es?«
    »Halb sechs. Na ja … Das geht so, seit ich wieder allein bin. Was ist jetzt, stehst du auf und trinkst einen Kaffee mit mir?«
    Darauf hätte ich schon Lust.
    »Ja, ich komme, schenk mir eine Tasse ein. Warte, guck erst mal zum Schrank. Heute Nacht ist mir eine kleine Familie vor die Füße gefallen. Und jetzt sag noch mal, dass ich mich nirgendwo investiere …«
    Ich höre das piepsige Miauen, Zeit für die erste Morgenfütterung. Philippe hebt den Vorhang an und betrachtet die bunten Kätzchen. Der Eindringling beunruhigt ihre Mutter, die gerade mit der Fütterung beschäftigt ist. Mein Freund lacht und krault einem der Kleinen unter den erbosten Blicken der goldäugigen Katze den Kopf. Dann lässt er den Vorhang wieder fallen und wirft mir einen finsteren Blick zu. Er hat das Foto von Juliette auf meinem Schreibtisch entdeckt.
    »Ach nee …«
    Er grinst höhnisch, während er auf das wiederhergestellte Bild deutet.
    »Schau mal, was ich gefunden habe … Ein zerrissenes und wieder zusammengeklebtes Foto …«
    Witzig.
    »Vielleicht will sich ja jemand nicht davon trennen? Oder kann nicht? Das klebt an der Haut. Wie Napalm … Oder Araldite.«
    Dieser Mistkerl nutzt die Situation gnadenlos aus.
    »Aber vielleicht waren es ja auch die Heinzelmännchen!«, stänkert er weiter. »Ja, das kennt man! Die kleinen Heinzelmännchen sind heute Nacht vorbeigekommen und haben deine dunkle Geliebte wieder zusammengeklebt. Armer fadoli, du bist wohl noch nicht bereit für die Selbständigkeit … Große Sprüche klopfen, das geht, was? Du Angeber! Wenn ich bloß daran denke, wie du gestern noch getönt hast …«
    Er setzt eine pfiffige Miene auf. Und auf zur nächsten Stichelei …
    »Ach, übrigens, hast du mal über unser Gespräch von gestern nachgedacht? Du weißt schon, wegen des Jobs …«
    So ein Idiot! Morgens um halb sechs … Und wie selbstzufrieden dieser dreckige Mistkerl dabei aussieht! Ich werfe mein Kissen nach ihm, aber er weicht geschickt aus.
    »Du nervst, jobastre …«
    Oh ja, mein Bulle ist wach, der elende Quälgeist. In Topform! Bereit, einen Tiger zu verspeisen …
    Während er den Kaffee einschenkt, springe ich unter die Dusche, erst heiß, dann eiskalt. Ich erinnere mich an den vergangenen Abend … Das Auto, die Explosion … Was für ein Chaos im Viertel!
    Wir frühstücken mit gutem Appetit. Die Vögel zwitschern protestierend, überrascht von der jetzt schon drückenden Hitze.
    »Irgendwas stimmt bei diesem Anschlag nicht«, sagt Philippe.
    »Was?«
    Er seufzt gereizt.
    »Ehrlich, Constantin … Ich weiß wirklich nicht, wo du im Moment deinen Kopf hast … Ich sprach von dem Anschlag gestern Abend. Auf mein Auto!«
    »Dein Auto? War das ein Anschlag?«
    Ich bin verwirrt. Aber je länger ich darüber nachdenke … Bei seinem Beruf … Und den Leuten, mit denen er zu tun hat. Alle möglichen Gauner und Ganoven. Er hat sich im Laufe der Zeit bestimmt ein paar Feinde

Weitere Kostenlose Bücher