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Die Gassen von Marseille

Die Gassen von Marseille

Titel: Die Gassen von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilles Del Pappas
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dir zwei Minuten, du Komiker. Für dein Seelenheil … Ehe sich das gute Stück verdrückt … in Urlaub … in Rente …«
    Er zählt.
    »Eine, weil du uns im Wasser entwischt bist! Wie hast du das überhaupt angestellt, Mann? Erst gehst du unter … Und dann bist du auf einmal wieder da … Der reinste Houdini!«
    Ich antworte nicht. Ich kann nicht. Mein Mund ist staubtrocken. Und er zählt einfach weiter.
    »Ist ja auch egal … Die zweite Minute bekommst du für gestern Abend.«
     
    léger
    de plus en plus léger
     
    Ich kann nur mit Mühe sprechen.
    »Gestern Abend, das Auto … Das wart ihr?«
    Er lacht. Es hört sich an wie eine grauenhaft quietschende verrostete Tür. Der Lauf ist immer noch eisig, sibirisch.
    »Bumm! Was für ein schönes Feuerwerk … Tja, Pech gehabt. Mussten eben andere dran glauben. Schade eigentlich … Die armen Kleinen. Erinnern mich an meine Jugend in den nördlichen Vierteln …«
    Langsam wird er wütend.
    »Und das alles nur, weil du dir die Taschen vollstopfen wolltest … Du verdammter Geldsack.«
    Er zielt mit der Knarre auf meinen Nabel.
    »Vielleicht sollte ich dir besser eine Kugel in den Bauch jagen … Damit es länger dauert, ehe du krepierst. Dann verstehst du vielleicht, dass du rechtzeitig aufhören sollst, wenn man es dir sagt …«
     
    léger
    de plus en plus léger
     
    Ein kleiner Anflug von Wut schafft es, sich durch meine Angst zu kämpfen.
    »Ich bin kein Geldsack. Sieh dich doch mal um, verdammt … Ich bin nicht reich, fatche! «
    Er hört mir nicht zu. Verzweifelt versuche ich, ihn zu überzeugen.
    »Und wenn dir die Kleinen von gestern so leidtun, dann vergiss gefälligst nicht, dass du sie in die Luft gejagt hast, nicht ich. Ich bringe keine Leute um!«
    Der Zigeuner lacht noch lauter.
    »Wow, ein echter Komiker!«
    Total durchgeknallt, der Typ.
    Plötzlich fliegt die Tür auf. Wir zucken zusammen. Ein Pappkarton betritt das Zimmer. Rechts und links davon ragen wuschelige braune Haare hervor.
    »Hallo! Paket für Sie!«
    Mein Peiniger wirft eilig die Papiertüte über die tote Hand und senkt die Kanone, um sie vor dem Neuankömmling zu verstecken. Ein lächelndes Frauengesicht wird sichtbar, und eine melodische, helle Stimme fragt: »Wo soll ich es abstellen?«
    Sie platziert den Karton auf dem Tisch. Ich weiß nicht, wie, aber plötzlich steht sie hinter dem Verrückten.
     
    bientôt je mourrai par surprise
    sans peur de Dieu, sans un adieu
    comme un fil de cristal se brise
    je suis si léger, si léger
     
    Und dann kippt die Stimmung!
    »Keine Dummheiten, Dorelli«, höre ich, »sonst puste ich dir den Schädel weg! Waffe fallen lassen, aber schnell!«
    Ich kann die Frau nicht sehen, weil mein Angreifer mich noch immer festhält. Brutal stößt er mich nach vorne.
    Der Idiot versucht es wirklich.
    Peng! Das war nicht weit von mir entfernt … Ich verharre reglos und warte ab, wer das Duell gewonnen hat. Ist die nächste Kugel für mich?
    je suis si léger, si léger
    léger …
     
    Da klopft mir jemand auf die Schulter. Ich zucke zusammen.
    »M’sieur, hey, M’sieur … Es ist vorbei.«
    Eine Frauenstimme. Ich drehe den Kopf und blicke in ein südländisches Gesicht mit unzähligen Sommersprossen, das teilweise hinter einer beeindruckenden Wuschelmähne verborgen ist.
    Ich richte mich auf und schaue mich suchend um.
    »Was ist mit dem Zigeuner?«
    Die Leiche liegt, teilweise von ihr verdeckt, auf dem Boden, seine spitzen Schuhe ragen hinter dem Sessel hervor. Die junge Frau erscheint mir sehr ruhig.
    »Rausgeflogen! Er wollte spielen … und hat verloren. Wahrscheinlich hat er gedacht, ist ja nur eine Frau! Und jetzt ist er tot … Ich habe ihn erledigt … Wollen Sie nachsehen?«
    Ihr Blick geht mir durch und durch. Diese junge Frau strahlt eine enorme Willenskraft aus, und das macht sie unglaublich anziehend. Aber da ist noch etwas anderes … Leider kann ich nicht festmachen, was. Ein Riss?
    »Nein danke, muss nicht sein«, antworte ich. »Ich habe in meinem Leben genug Leichen gesehen … Wer sind Sie überhaupt? Polizei?«
    Sie schlägt die Hacken zusammen und salutiert vor mir.
    »Inspektor Claudia Vidal, zu Ihren Diensten. Kommissar Mateis schickt mich. Ich soll Ihnen die Unterlagen bringen.«
    Sie deutet auf den Pappkarton und erklärt: »Als ich Dorelli ins Haus gehen sah, dachte ich mir schon, dass es Ärger geben würde … Ich kenne ihn, weil ich ihn schon einmal bei einer Razzia festgenommen habe … Also bin ich ihm gefolgt … Und

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