Die Gassen von Marseille
Schwächen, meinem Unvermögen. Es ist lange her, dass ich zum letzten Mal Sex hatte …
Ich habe es mehrmals versucht … und saß dann wie ein Trottel vor jungen Frauen, die im schlimmsten Fall sarkastisch meinen armen kleinen Freund musterten, der wie eine mickrige esquinade oder ein baccala estransi herunterhing.
»Ich schäme mich! Versteck mich, schnell!«
Vielleicht lag es daran, dass ich nicht die geringsten Gefühle für diese jungen Mädchen hatte. Aber Claudia mag ich. Nur … reicht das …? Vor Juliette hat es das …
»Sollen wir jetzt nach Hause fahren? So langsam macht sich die schlaflose Nacht doch bemerkbar.«
Sie schüttelt ihre Wuschelmähne.
»Einverstanden – wer als Erster beim Felsen ist …«
Sie hat den Satz nicht mal zu Ende gesprochen, da schwimmt sie auch schon los. Ich schaffe es nicht, sie einzuholen. Kein Wunder, bei dem Vorsprung … Sie gewinnt haushoch und erwartet mich triumphierend mit einem breiten Grinsen.
»Was ist denn das für ein griechischer Athlet … Heute wohl nicht in Form, was?«
Ich bin völlig außer Atem.
»Sie haben geschummelt! Ich disqualifiziere Sie wegen Fehlstarts. Das darf ich, überhaupt kein Problem.«
Sie lacht und freut sich über ihre kleine Mogelei und ihren Sieg. Faul streckt sie sich im klaren, ungetrübten Wasser des frühen Morgens aus. Sie hat feste, volle Brüste …
»Gehen Sie nicht raus?«, will ich wissen.
Sie dreht mir den Rücken zu und antwortet neckisch: »Ich hab doch nichts an … Drehen Sie sich um, Sie Spanner.«
Brav wende ich den Blick ab, während sie sich anzieht … Was für ein Jammer! Dann springe ich auch wieder in meine Klamotten. Tschüss, Meer …
Schweigend fahren wir zurück zu ihrer Wohnung. Die Kühle und das Salz des Meeres noch auf unserer Haut, hängen wir beide unseren Gedanken nach, verlieren uns in den Mäandern und Geheimnissen unserer Geschichten, unserer Erinnerungen, unserer Gedanken. Die Luft ist samtig.
Mein Geist schwebt irgendwo zwischen den zahllosen Morgen herum, an denen ich wie heute bei Sonnenaufgang schwimmen war … Juliette ist auch da. Ich habe immer das Gefühl, dass man mir ansieht, wenn sich ihr Bild in meinen Kopf drängt. Wie auf einer Tafel. Dass die Leute erkennen, was ich in meinem Herzen trage, und dass es ihnen peinlich ist. Claudia fährt wieder vollkommen ruhig – ohne zu bremsen oder Gas zu geben, ganz gleichmäßig, mit weiten Kurven. Ich fühle mich wohl. Ich denke an nichts … Nur an frische Laken. Vielleicht auch an einen jungen Körper, der sich eng an mich schmiegt … Aber ich will meine Fantasie nicht in diese verbotenen Gefilde schweifen lassen. Ich werfe einen Blick auf meine Nachbarin und bin überrascht. Sie wirkt auf einmal angespannt. Droht Ärger …?
»Schnall dich an!«
»Was ist los?«
Sie antwortet nicht sofort. Ich gehorche.
»Wir werden verfolgt. Dreh dich nicht um, ich will kein Risiko eingehen … Dem werden wir’s zeigen …«
»Ja schon, aber …«, protestiere ich.
Ich habe keine Zeit, meinen Satz zu Ende zu bringen. Das Auto macht einen Satz, und ich halte mich an den Seitengriffen fest, die der Hersteller klugerweise dort angebracht hat. Danke, Hersteller! Ich erkenne, dass rechts und links von uns nur sehr, sehr wenig Platz ist … Die Fahrweise schüttelt uns hart durch.
»Verdammt! Wie haben die uns gefunden?«
Ich kann ihre Frage nicht beantworten, zum einen, weil der Wagen gerade in höllischem Tempo durch eine Kurve gebraust ist, was mir komplett den Atem geraubt hat, und zum anderen, weil ich nicht den blassesten Schimmer habe. Also halte ich den Mund und verfolge tatenlos eine Demonstration ihrer Fahrkünste, auf die ich liebend gern verzichtet hätte. Wir erreichen die Rue d’Endoume. Ich bin froh, dass es noch so früh ist … Die junge Frau ignoriert das Stoppschild, und wir schießen ohne Vorwarnung auf die Kreuzung. Endlich schaffe ich es, den Kopf zu drehen – die Straße hinter uns ist leer, weit und breit niemand zu sehen …
»Sind Sie sicher?«
Sie konzentriert sich aufs Fahren. Mittlerweile sind wir in Endoume. Der kleine Wagen saust in einem Höllentempo Richtung Bompard, um anschließend gleich wieder nach Saint-Victor runterzubrettern … Das ängstliche Schweigen meiner Nachbarin macht mir langsam Sorgen. Ich sehe immer noch kein Auto hinter uns. Plötzlich taucht am Ende der Straße ein schwarzer Schatten auf. Der Kerl hat einen größeren Wagen, gleich hat er uns eingeholt. Die girelle hatte
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