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Die Gassen von Marseille

Die Gassen von Marseille

Titel: Die Gassen von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilles Del Pappas
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und stoße einen leisen Pfiff aus.
    »Was ist los?«
    Ich deute auf das Bild.
    »Ein Monticelli! Donnerwetter!«
    Philippe kommt näher, um das Gemälde zu bewundern.
    »Verlaine hat über ihn gesagt: ›Diesen Maler würde ich gerne kennenlernen, um ihn zu bitten, mir seine Augen zu leihen und seine Träume zu erzählen.‹«
    Philippe tippt auf das Bild und sagt: »Das war modern damals, oder?«
    Ich lächle … Monticelli, modern …
    »Man kann sagen, dass seine Malerei einer zur damaligen Zeit vollkommen unbekannten Ästhetik entspringt … › Ich bin das leuchtende Zentrum, ich bin es, der alles erhellt. ‹Er fasziniert mich, für mich ist er ein wahrer Künstler … Zu seinem Pariser Galeristen pflegte er stets zu sagen: ›Wissen Sie … ich male nur für mich selbst.‹«
    Und so plaudern wir über Malerei, bis die Polizisten auftauchen und mich wie einen der ihren begrüßen. Philippe lacht.
    »Die halten dich für einen Bullen …«
    Ich tue so, als wäre ich entsetzt.
    »Oh fatche de pute borgne!«
    Inspektor Guidoni freut sich, mich zu sehen. Schon wieder zerquetscht er meine arme Hand.
    »So was aber auch, wir laufen uns ja in letzter Zeit ständig über den Weg!«
    Philippe packt mich am Arm.
    »Komm, Constantin. Was hältst du von einem Teller girelles im Hafen von l’Estaque, während die hier ihre Arbeit machen?«
    »Einverstanden!«
    Er ruft den Inspektor.
    »Guidoni. Wir gehen essen … Hier ist die Adresse. Kommen Sie nach, wenn Sie fertig sind.«
    Und schon sitzen wir da wie früher, zwei junge cacous, die den nines hinterherschauen, die nur für uns vorbeiflanieren. Der kleine Hafen ist einer der wenigen Orte, wo man diesen zarten bunten Fisch überhaupt noch bekommt.
    Den Meerpfau.
    Das kleine Restaurant liegt am Ende des Dorfes Richtung Rôve … Wir sitzen an einem Tisch unter einer schönen Platane, draußen auf der Straße. Der Wirt kümmert sich mit offensichtlichem Vergnügen um uns.
    Er liebt seinen Beruf.
    Bedienen, plaudern, mit fiòlis oder Fremden diskutieren.
    Seine Frau kocht, und im Gegensatz zu ihrem mageren Mann ist sie mollig, um nicht zu sagen dick. Ich kenne den Wirt gut, denn Féfé und ich sind oft abends zum Essen in sein Restaurant gegangen.
    Als guter Geschäftsmann fragt er uns: »Na, Messieurs, nehmen Sie noch einen kleinen Digestif? Einen Garlaban vielleicht?«
    Wir sind gerade mit dem Essen fertig, genau der richtige Moment, um diesen starken Schnaps zu trinken. Beide bejahen wir freudig. Die Nacht ist mild.
    »Was glaubst du, wer ihn umgebracht hat, Philippe?«
    Die Grillen, denen diese Geschichte herzlich egal ist, zirpen unbeeindruckt vor sich hin.
    »Also ich stelle mir das Ganze so vor. Als die junge Frau die Tasche mitgehen lässt, hat sie noch keine Ahnung, dass sie den Inhalt Jahre später einmal gegen ihn verwenden wird …«
    Ich unterbreche ihn.
    »Das steht fest! Ich bin mir sicher, dass es nur ein Streich sein sollte. Genauso war es, ein dummer Streich …«
    Philippe spricht weiter.
    »Was sind das überhaupt für Unterlagen? Nun ja, bald werden wir es wissen. Jedenfalls stammen sie mit Sicherheit aus der Zeit des Krieges, und das … Der alte Groll ist noch nicht verschwunden … Mit den verschiedenen Gruppierungen der Résistance, der Mitte, die sich in zwei Teile spaltet, den Kollaborateuren, den Deutschen …«
    Ich nicke.
    »Ja, ich erinnere mich … Die Papiere mit dem Hakenkreuz.«
    Er seufzt.
    »Sie schleppt also diese Unterlagen jahrelang mit sich herum, ohne sie zu lesen … Oder sie weiß, was sie bedeuteten, und hat keine Lust, sie gegen ihn zu verwenden, weil sie in ihrem neuen Leben glücklich ist. Als dieses Glück dann zerbricht, beschließt sie, ihren Missmut auch andere spüren zu lassen … sich zu rächen …«
    »Nett …«
    Er setzt seinen Gedankengang fort.
    »Nett, ja … Aber nach einem solchen Schock reagiert man nicht mehr so wie sonst …«
    Ich weiß, dass er an seine Frau denkt.
    »Die junge Belgierin kommt also nach Frankreich zurück, um ihren Adoptivvater zu erpressen. Und die Unterlagen bergen ein Geheimnis, das uns zum Grund für die Erpressung führen wird …«
    Ich bin nicht ganz überzeugt.
    »Mir ist etwas aufgefallen, als sie mir von ihrer Kindheit erzählt hat. Sie schien anzudeuten, dass ihr Vormund eine seltsame Beziehung zu ihr gehabt hat.«
    »Was meinst du damit?«
    Verdammt, ist der heute Abend schwer von Begriff!
    »Ich meine damit, dass … Ich weiß auch nicht … Etwas, wonach ich damals nicht

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