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Die Gassen von Marseille

Die Gassen von Marseille

Titel: Die Gassen von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilles Del Pappas
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allgegenwärtig.
    »Erinnerst du dich an André Suarès?«, frage ich Philippe.
    Er lächelt. Wir haben beide das Gleiche gedacht.
    Suarès ist sein Lieblingsautor. Ein Zitat kennt er auswendig, immer dasselbe.
    Ich bekomme es sicher gleich zu hören …
     
    »Marseille ist jetzt eine Oase voll Rosen und Flieder.
    Die Steine schmelzen in tiefrotem Dunst. An den Flaggenknöpfen der höchsten Masten entzündet das Licht rubinrote Feuer, schillernd, topasfarbenes Flimmern. Eingerahmt von den Hügeln schwimmt die Rose von Bengalen auf dem Wasser. Die Berge ziehen sich zurück; das Buch der Erde schließt sich. Erlesene Sanftheit, eine Flut violetter Anemonen entwirrt sich im orangefarbenen, goldgesäumten Himmel. Marsiho, adieu! Adieu, Marseille. «
     
    »Herrlich …«, bemerke ich bewundernd. »Meine Fresse, der Typ kann schreiben! Das erinnert mich an deine Gesangskarriere. Weißt du noch:
     
    I got la vie en rose,
    gefällt dir meine Pose?
    Vögel und Giraffen
    Seh’n in mir ’nen Affen
    Hör auf, um mich zu balzen,
    Ich werde dich plattwalzen. «
     
    Er löst mich ab. Meine Güte, singe ich grauenvoll …
     
    I got la vie en rose
    Was ist jetzt mit der Pose?
    Der Sturm tobt wild und heiß
    Und lüstern fließt der Schweiß
    Der knülle Matador
    Kommt etwas wirr dir vor.
     
    Die letzte Strophe grölen wir im Chor …
    I got la vie en rose
    Such immer noch die Pose
    Bei dem ganzen Theater
    Brauch ich bald ’nen Berater
    Die ganzen lock’ren Schrauben
    Versau ’n mir noch den Glauben.
    (Text: Philippe Mateis)
     
    Beim Großmarkt in Saumaty fahren wir von der Autoroute du Littoral ab.
    Ich denke an die Zeit zurück, zu der ich das Fotografieren aufgegeben und mein Boot, den Engatseur, gekauft habe, um Fischer zu werden. Frühmorgens kamen ich und mein Partner-Kumpel-Vater Féfé, der alte Korse, dessen Haut und Herz von der Sonne, dem Meer und dem Leben tief gebräunt waren, hierher, um unseren Fisch zu verkaufen.
    Der Fischgroßmarkt ist eine fünftausend Quadratmeter große Halle. Darin befinden sich Gefriertunnel, Kühlkammern und ein Turm, der täglich fast dreißig Tonnen Eis liefert. Wir waren jeden Tag da, bis wir irgendwann eine Vereinbarung mit der Fischergewerkschaft von l’Estaque trafen.
    Wir fahren am kleinen Hafen von l’Estaque vorbei, wo Féfés Haus lag. Mein alter Partner fehlt mir. Er wäre uns sicher eine große Hilfe dabei, dieses verworrene Knäuel zu entwirren. Aber inzwischen verbringt er seinen wohlverdienten Ruhestand zu Hause auf Korsika, bei seiner Familie und der Frau, die er liebt. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen: Das Meer, der Engatseur, die Fische, Juliette …
    Als wir hinter der Zementfabrik endlich den Rôve-Tunnel erreichen, habe ich das Gefühl, die Karre wird gleich den Geist aufgeben.
    »Der kratzt jeden Moment ab.«
    »Das sage ich mir Tag für Tag, aber …«, antwortet Philippe fatalistisch.
    Ich bedeute ihm, langsamer zu fahren.
    »Jetzt links.«
    »Vor dem alten Puff?«
    Ich nicke. Wir fahren an den Bahngleisen entlang. Nur ein kleines Stück weiter habe ich in der Wildnis eine der schönsten Zeiten meines Lebens verbracht … Mit meiner Geliebten …
    Juliette. Sei still!
    »Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«
    »Ja, ja, ich erkenne die Stelle schon wieder, wenn ich sie sehe, mach dir da mal keine Sorgen …«
    Wir finden es sehr schnell.
    Obwohl alles schon so viele Jahre her ist und sich mit der Zeit einiges in der Umgebung verändert hat, erinnere ich mich noch gut an eine ungewöhnlich gewachsene Kiefer und an die Form der Felsen vor dem Haus.
    Ein Steilhang zeichnet sich vor dem klaren Himmel ab, das dunkle Oliv der Kiefern und Kermeseichen, das hellere Grün der Flaumeichen, der silbrige Schein der Ölbäume, die Rosmarinbüsche, zwischen denen hier und da das Weiß des Kalksteins hervorleuchtet … Ich atme tief ein, hier bin ich zu Hause, hier in der Provence! Ich deute ohne Zweifel auf das Grundstück.
    »Da ist es.«
    »Bist du sicher?«
    Ja! Das große eiserne Tor, das verschlungene Muster des Gitterzauns, die Kiefern – und im Hintergrund das Haus, das zwischen den Ölbäumen hindurchschimmert … Ich zeige ihm die Stelle, an der wir einst über den Zaun gestiegen sind.
    »Über diesen Baum sind wir auf die andere Seite geklettert.«
    Schon will ich mich an den Aufstieg machen … doch der Polizist hält mich zurück.
    »Halt … Schon gut, das reicht. Diesmal werden wir brav klingeln … Wir steigen nicht wie Einbrecher über den

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