Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
schnell. »Nimm dir zu essen. Du gehörst also zu den Spielleuten. Was kannst du denn sonst noch außer gottlosen Kunststücken?«
»Ich kann arbeiten«, antwortete Kunigunde ausdruckslos. »Ich kenne mich mit Kräutern aus, verstehe etwas von Pferden, kann kochen.« Sie zuckte die Achseln. »Ich tue, was verlangt wird.«
»Und warum bleibst du nicht bei den Spielleuten?«
»Sie sagen, ich hätte mit dem eingesperrten Mann gesprochen, aber das ist gelogen. Ich habe Angst.«
»Hmhm«, machte Gudrun. »Schlimme Geschichte, das mit Reinmar. Ich hoffe nur, meinem Eberhard stößt nichts zu, wenn er diesen Kerl bewacht. Was sagt denn Gerald dazu, dass die Hinrichtung verschoben werden musste?«
Fridrun stützte das Kinn in die Hand und schüttelte den Kopf. »Er ist wie besessen von diesem Wulfhard. Oh, ich wünschte, er wäre tot!« Mit wütender Energie begann Fridrun, ihr Brot in Stücke zu reißen. »Gudrun, du warst doch auch verheiratet! Wie wird man eine gute Ehefrau?«
Abrupt ließ die Köchin das Messer sinken. »Wieso fragst du das, Kind? Habt ihr Streit?«
»Nein, aber … es ist manchmal so, als sähe er mich gar nicht mehr!« Fridrun hob den Kopf und warf der älteren Frau einen flehenden Blick zu.
Die verschränkte die Arme vor der Brust. »Albernheiten, Mädchen! Wenn du erst Kinder hast, wirst du keine Zeit mehr haben, dich zu bedauern. Sei froh, dass dein Mann so gut für dich sorgt.«
Fridrun starrte unglücklich auf die Brotkügelchen vor sich auf dem Tisch. »Ich will ja Kinder«, sagte sie leise. Eine Bewegung ließ sie innehalten. Kunigunde hatte den Kopf in die Hände gelegt, und ihre Schultern bebten. Zum zweiten Mal fühlte sie widerwilliges Mitleid in sich aufsteigen. »Hast du Kinder?«, fragte sie.
Kunigunde riss den Kopf hoch und blickte wild um sich. »Ich hatte. Aber es starb, noch ehe es geboren wurde.«
»Und dein Mann?«
»Tot!« Kunigunde fuhr sich mit der Hand über die trockenen Augen. »Unter dem Frankenkönig waren wir Slawen sicher, aber die Ungarn haben uns vertrieben. Dann haben wir uns am Inn angesiedelt, aber es hat eine Schlacht gegeben.«
»Aber die Ungarn sind doch vernichtend geschlagen worden!«, rief Gudrun.
Kunigunde stieß ein bitteres Lachen aus. »Ja, sie haben sich zurückgezogen. Und auf dem Rückzug haben sie unser Dorf dem Erdboden gleichgemacht. Ich habe alles verloren. Familie, Heim, beinahe mein Leben. Ich bin nach Bayern geflohen und anschließend hierher. Die Spielleute haben mich aufgenommen. Heute …« Sie hob die Schultern und ließ sie müde fallen. »Ich habe überlebt.«
»Du armes Mädchen!« Gudrun schniefte verstohlen und drückte die Gauklerin an sich.
Kunigunde versteifte sich, dann legte sie vorsichtig die Arme um die ältere Frau. »Darf ich bleiben, bis …«
»Natürlich bleibst du. Keine Sorge, ich finde schon Arbeit für dich. Und wenn du nicht mehr weiterziehen willst, bleibst du ganz hier.« Sie zögerte plötzlich. »Du bist doch Christin?«
»Christin, ja!«, bestätigte Kunigunde ernst.
»Dann ist ja alles in Ordnung!«, rief Gudrun und klatschte in die Hände. »Wir sorgen schon dafür, dass du die Vergangenheit vergisst.« Sie sah, wie Kunigundes Gesicht sich verfinsterte, und setzte rasch hinzu: »Wunden heilen, glaub mir. Ich habe meinen Mann und zwei Kinder begraben. Aber fünf hat der Herr mir gelassen, und jeden Tag, wenn ich Anna und Eberhard sehe, danke ich ihm für seine Gnade. Du bist noch so jung, Kunigunde. Ihr beide seid noch so jung.« Sie lächelte gerührt. »Unser Herr, der Graf, ist nach sechs Jahren Gefangenschaft bei diesen ungarischen Heiden, der Herr verfluche sie, gerettet worden. Du darfst nicht verzagen.«
Kunigundes Blick war starr, aber sie nickte. Gudrun gab ihr einen aufmunternden Klaps. »Genug geredet. Du wirst in Annas Kammer schlafen. Und Fridrun, du solltest mit deinem Mann aufbrechen, bevor es vollkommen dunkel wird. In der Nacht ist der Wald kein guter Ort.« Sie bekreuzigte sich flüchtig. »Und vergiss nicht zu beten, dann erfüllt Gott dir auch deinen sehnlichsten Wunsch.« Sie umarmte die jüngere Frau kurz und scheuchte sie aus der Küche.
Fridrun war sehr still, als sie neben Gerald auf dem Karren saß und die Abendlandschaft an sich vorbeiziehen ließ, aber er spürte, dass es nicht das wütende Schweigen war, in das sie sich auf dem Hinweg gehüllt hatte. Vorsichtig lenkte er Wildfang über den unebenen Weg, auf dem das satte Abendgold glänzte. Die Bäume warfen lange
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