Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
begnadigt hat, bedeutet nicht, dass du das Maul aufreißen darfst.«
Wulfhard grinste. »Dafür, dass du mir zweimal das Leben gerettet hast, wirkst du wenig begeistert. Und ich dachte schon, du magst mich. Außerdem wird die Fähre nicht gleich ablegen, nur weil dieser Kuttenträger es will.«
Eberhards müde, gerötete Augen blitzten auf. »Ich sag’s dir nicht noch einmal: Dem Mönch gegenüber zeigst du Respekt. Sonst bring ich ihn dir bei!«
Wulfhard bedachte seinen Begleiter mit einem langen, ironischen Blick, dann trieb er sein Pferd so unvermittelt an, dass er Eberhard weit hinter sich ließ. An der verwaisten Anlegestelle der Fähre zügelten die beiden Männer ihre Tiere. Die Sonne glitzerte auf den Wellen, und am Ufer lagerten ein paar Pilger, die wie sie auf den Schiffer warteten.
»Und wo ist er jetzt?«, fragte Wulfhard, indem er sich nach Eckhard umsah.
»Da drüben.«
Wulfhard folgte Eberhards Fingerzeig und pfiff leise durch seine Zahnlücke. »Ich will verdammt sein, wenn ich das Zeichen nicht kenne!«
»Du bist verdammt!«
Wulfhard überhörte Eberhards Einwurf und betrachtete mit hochgezogenen Brauen das Schiff, auf dessen flachem Heck das Wappen des Fürstbischofs eingebrannt war. Obwohl es nur geringen Tiefgang hatte, wirkte es geräumig genug, um Männer und Pferde aufzunehmen. Der Mönch war bereits abgestiegen und wies einen der Ruderknechte an, sein Pferd an Bord zu führen. Das Tier scheute heftig, als es den schwankenden Untergrund betreten sollte.
Während er den Hufschlag näher kommen hörte, drehte Eckhard sich um. »Da seid ihr endlich! Merkt euch für die Zukunft: Ich gebe das Tempo vor, ihr habt zu folgen! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Bringt die Pferde an Bord!«
»Das soll ein Mönch sein?«, raunte Wulfhard seinem Begleiter zu. »Wo bleibt die Demut?«
»Da wo du sie niemals findest«, fauchte Eberhard und stieg ab.
Wulfhard verschränkte die Hände auf dem Nacken des Tieres und sah auf den Mönch hinab. »Wozu die Eile?«, fragte er spöttisch. »Die Toten sind tot, oder?«
»Willst du die Schuld auf dich nehmen, wenn deiner Saumseligkeit wegen ein weiterer Mensch stirbt?«, fragte Eckhard kühl. »Gott wird dir das nicht vergeben.«
Wulfhard öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Mit einem unbehaglichen Blick auf das ausdruckslose Gesicht des Mönchs glitt er vom Pferd und führte es auf die schmale Rampe. Beruhigend redete er auf das widerstrebende Tier ein, ohne auf die Knechte zu achten, die das Schiff auf das Ablegen vorbereiteten. Erst ein derber Stoß lenkte seine Aufmerksamkeit von dem ängstlichen Pferd ab. Er schaute in ein hämisch verzogenes Gesicht.
»O Verzeihung, Herr Verräter. Tut mir leid, Herr Begnadigter!«
Wulfhard ballte die Faust. »Pass auf, du …«
»Ruhe!«, befahl Eckhard. »Für solche Kindereien haben wir keine Zeit. Kapitän, wir werden sofort ablegen. Der Wind steht günstig.«
Der Schiffer drehte den Kopf, um den Stand der Sonne zu erkennen. Die Augen über dem ungepflegten Bart wirkten plötzlich ruhig und gelassen. »Und wenn er noch so günstig weht, Herr, vor Sonnenuntergang schaffen wir das nicht.«
»Gott lässt die Seinen nicht im Stich.«
»Dann sollte der elende Verräter da besser nicht an Bord sein.«
»Kümmert Euch nicht um ihn, sondern um Eure Pflichten.«
»Wie Ihr meint. Aber mir wäre wohler, Ihr würdet für unsere sichere Überfahrt beten«, knurrte der Mann. »Ich fürchte nicht das Wetter, aber den Teufel.« Er schüttelte noch einmal den Kopf, dann brüllte er seinen Männern die nötigen Befehle zu. Wenig später fuhr das Schiff mit geblähten Segeln und sanftem Schaukeln in die sinkende Sonne hinaus.
Eckhard stellte sich neben Wulfhard an die Bordwand. »Wie fühlst du dich, jetzt, da du die Freiheit wiedergewonnen hast?«
»Nicht frei genug.« Ohne den Blick vom Wasser zu lösen, setzte er hinzu: »Ihr mögt ein Mönch sein, aber Ihr bedient Euch recht weltlicher Mittel in der Durchsetzung Eurer Wünsche.«
»Der Arm des Fürstbischofs reicht weit.« Eckhard beobachtete das Zucken, das über Wulfhards Gesicht lief, und nickte still vor sich hin. Nach einer Weile sagte er mit veränderter Stimme: »Wenn der Wind so günstig bleibt, können wir mit dem letzten Abendlicht Buchhorn erreichen.«
»Ich verstehe immer noch nicht, warum wir es so eilig haben. Der Welfe wird bestimmt nichts unternehmen, solange der König ein Auge auf ihn hat.« Wulfhard grinste schief. »Ich weiß das. Ich kann
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