Die Gauklerin von Kaltenberg
ihre Suppentöpfe noch warm, wenn wir uns darüber hermachen!«
»Freu dich nicht zu früh, die Schwyzer sind keine wehrlosen Bauern«, lachte Georg. »Wirst sehen, die verstehen keinen Spaß. Trotzdem ist es leicht verdientes Geld. In einer Woche sind wir wieder zurück.«
Sie lagerten noch einmal am See, ehe es über den Pass nach Sattel und dann nach Schwyz gehen sollte. Frühmorgens erwachte Stef fen von einem lauten Schmatzen. Durch das verheißungsvolle Ge räusch an seine liebste Beschäftigung erinnert, tastete er nach sei nem Dolch. Verschlafen kam er auf die Beine – und hechtete einen Satz zurück.
Ein riesiger graubrauner Bär stand über die Reste des Abend mahls gebeugt. Mit einem tiefen Brummen richtete die Bestie sich auf.
Steffen war nicht gerade ein Held, aber wenn es ums Essen ging, wurde er wild. Grimmig umklammerte er den Dolch, in der festen Absicht, sein Frühstück zu verteidigen. Der Bär erhob sich auf die Hinterbeine.
»Lass das!«, flüsterte jemand hinter Steffen. Georg schwenkte den glänzenden Schild seines Herrn und begann zu brüllen. Schnaubend verharrte der Bär in seiner Stellung. Dann ließ er sich auf die Vorderbeine herab und trollte sich mit ungelenken Sprün gen ins Gebüsch.
Georg schlug Steffen gelassen auf die Schulter. »Heb dir den Dolch für die Schweizer auf. Und jetzt komm – es geht los.«
Der Mond stand noch bleich am Himmel, und es war schneidend kalt, als sich das Heer in Bewegung setzte. Die Sicht war gut, so dass Steffen den langsam voranschreitenden Zug beobachten konnte. Streng nach der Rangfolge geordnet ritt Herzog Leopold ganzvorne, gefolgt von seinen Rittern. Am Ende kam das Fußvolk. Sie mussten hintereinanderreiten, denn der Weg den Ägerisee entlang war schmal. Ab und zu blitzte eine Rüstung im Mondlicht, als sich die gewaltige Schlange am Ufer voranwand. Wie die anderen Knechte führte Steffen das Pferd seines Herrn und schleppte dessen Waffen. Unter den Hufen und groben Stiefeln gurgelte Schlamm. Steffen war froh, dass er gute Schuhe besaß, nicht jeder Knecht hatte das Glück. Immer wieder schnitt das Schilf in seine Haut, und er war dankbar, dass er sich ein Paar lederne Armschienen geleistet hatte.
Sie bogen in einen Weg ein, der steil bergauf führte. Die Tiere schnaubten. Ihr Hufschlag hallte dumpf in der hohlen Gasse wi der, sonst war es still. Die Gespräche der Männer waren ver stummt. Fast lautlos, mit bis zum Zerreißen angespannten Ner ven ritten sie bergan. Es roch nicht nach Kräutern wie so oft in den Bergen, sondern faulig und wild. Steffen fielen plötzlich die Legenden seiner Kindheit wieder ein, von übelwollenden Trol len, die im Wald lauerten. Er hoffte, dass es nicht mehr weit war.
Sie umritten eine Anhöhe, vermutlich die Figlenfluh. Georg hatte ihm am Abend zuvor noch den Weg mit einem Stöckchen aufgezeichnet. Unruhig blickte Steffen die Seiten des Hohlwegs hinauf. Die erdigen, von zerfaserten Wurzeln zerrissenen Wände rückten jetzt beklemmend zusammen. Inzwischen musste die Spitze des Zuges Schafstetten erreicht haben. Von dort war es nur noch ein kurzes Stück bis Sattel.
Ein Lichtfunke glomm in der Dunkelheit auf. Instinktiv hielt Steffen die Zügel an. Jemand schrie auf, dann ertönte das knir schende Geräusch eines fallenden Baumes. Ein Hinterhalt.
Steffen riss den Dolch aus dem Gürtel. Das Pferd seines Herrn stieg, er brauchte seine ganze Kraft, um es zu bändigen. Die schweren gepanzerten Tiere scheuten wiehernd und prallten in der Enge gegeneinander. Metall klirrte. Steffen wurde einen Moment die Luft abgeschnürt. Er hatte das Gefühl, alle Knochen im Leib wür denihm zermahlen, als eine Pferdeflanke ihn an den Sattel seines Herrn drückte. Ein schmerzhafter Schlag gegen seine Schulter, dann schnappte er nach Luft und sah sich um.
Auch die Pferde vor ihnen waren in Panik. Als er begriff, war um, stieß er ein Gebet hervor.
Faustgroße Steine rollten von den Hängen und flogen zwi schen die dichtgedrängten Reiter. Die Pferde wieherten und stie gen, und verzweifelt kämpfte Steffen darum, nicht von den Hufen niedergetreten zu werden.
Warnend erklangen die Fanfaren, doch zu spät. Johlend und brüllend kamen die Eidgenossen an den Rand des Hohlwegs. Jemand hatte seinen Schild verloren, er hob ihn auf und hielt ihn vor den Kopf. Keinen Augenblick zu früh: Ein Brocken schlug mit voller Gewalt auf. Steffen wurde klar, dass ihm der Fels mit Leich tigkeit den Kopf hätte zerschmettern können. Das Blut
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