Die Gebeine von Zora
natürlich zum Zwecke der Nachbildung aus Plastik das Material im Originalzustand lieber, egal wie sauber und akkurat.«
»Wie willst du diese ganzen Stücke je wieder zusammenfügen?« fragte Reith.
»Das erledigt der Computer in Paris. Du legst ein Stück in die Maschine und lässt hundert andere auf dem Förderband durchlaufen. Der Computer sucht sich dann genau das Stück raus, dessen Bruchstellenoberfläche zu dem Stück passt, das du vorher reingelegt hast. Er ist sozusagen ein elektronischer Puzzlespieler.«
Reith ließ Marot mit seiner Arbeit allein und schlenderte ein wenig auf Deck umher. Kurze Zeit später sah er, dass die Morkerád von der Strommitte abwich und auf das Südufer zusteuerte. Auf einem wackligen kleinen Steg stand ein Krishnaner und winkte mit einem viereckigen weißen Tuch, das er an einer Stange befestigt hatte. Zwei Matrosen sprangen auf den Steg und belegten das Boot an hölzernen Pollern. Während sie das Boot gegen den Sog der Strömung hielten, kletterte Kapitän Sarf auf den Steg, unterhielt sich kurz mit dem Krishnaner, der die Flagge geschwenkt hatte, und nahm ein kleines Paket von ihm entgegen. Dann sprang er wieder auf das Boot, die Leinen wurden losgemacht, und das Boot setzte seine Fahrt fort.
Sie hielten erneut gegen Mittag, als die Terraner gerade auf Deck aßen, und ein drittes Mal kurz vor Sonnenuntergang, um einen neuen Passagier aufzunehmen. Der Neue war ein kleiner schwarzgekleideter Krishnaner mittleren Alters, der sein Fahrgeld bezahlte, die Terraner einen kurzen Moment scharf musterte und dann schweigend auf die andere Seite des Bootes ging.
Beim Abendessen setzten sich die Terraner zu den anderen ins Deckhaus, wo der Koch einen Klapptisch aufgestellt hatte. Als sie ihre Plätze einnahmen, sprach Alicia den Neuen an: »Guten Abend, Herr. Ich bin Doktor Alicia Dyckman; darf ich fragen, wie Ihr heißt?«
Ohne den Blick von seinem Teller zu heben, antwortete der Krishnaner: »Ich lege keinen Wert darauf, mich mit gottlosen Ertsuma zu unterhalten.«
»Das vereinfacht die Dinge«, sagte Reith auf englisch. »Wir lassen ihn in Ruhe, und er lässt uns in Ruhe.«
»Aber ich wollte doch bloß ein paar Daten von ihm haben«, maulte Alicia.
»Die er dir offensichtlich nicht zu geben bereit ist. Also halt’s Mäulchen und lass ihn zufrieden, meine Süße. Wir haben genug Probleme.«
Alicias Augen blitzten wütend auf, aber sie presste die Lippen zusammen und schwieg.
Der zweite Tag verging wie der erste: ein endloses Panorama unberührter Wildnis, mit gelegentlichen Aufenthaltspausen an schäbigen kleinen Landestegen. Der zugestiegene Krishnaner ignorierte die Terraner demonstrativ.
Am Nachmittag des dritten Tages kamen die Kais von Jeshang in Sicht. Kaum hatte die Morkerád angelegt, als der Krishnaner auch schon an Land trippelte. Dort blieb er kurz stehen, drehte sich zu den drei Terranern, die jetzt alle wieder ihre schäbigen Khakianzüge trugen, um und fauchte:
»Ihr werdet schon sehen, was im heiligen Dashtat Chilihagh mit Ketzern geschieht!«
»Ein wirklich reizender Kerl«, sagte Alicia. »Ich fresse einen Besen, wenn der nicht schon unterwegs ist, um uns Ärger zu machen.«
»Wenn er zum Bákhtempel geht und uns anschwärzt … Ach, Herr Kapitän!«
»Ja?« rief Sarf, der das Entladen der Fracht überwachte. »Was wünscht Ihr?«
»Wann wollt Ihr weitersegeln?«
»Morgen früh, so Báhk will – sobald wir mit dem Laden fertig sind.«
Später sagte Alicia: »Er scheint uns zu mögen. Sobald er mit dem Entladen fertig ist, gehe ich mal zu ihm und frag ihn, ob er uns nicht irgendwo verstecken kann, wenn Gefahr droht.«
Als der letzte Korb an Land getragen war, ging Alicia zum Kapitän und sprach ernst und lange mit ihm – so lange, dass Roqir schon hinter den Bäumen verschwand und Reith allmählich unruhig wurde. Endlich kam sie zurück, während Sarf den Kai hinunter und in Richtung Stadt hastete.
»Ich hatte ein paar Probleme mit ihm«, sagte sie. »Aber ich habe gekriegt, was ich wollte. Er ist jetzt einen trinken mit einem Kumpel.«
»Was hat er gesagt?« fragten Reith und Marot gleichzeitig.
»Jeder Freund seines Vetters Sainian sei auch sein Freund; also werde er helfen. Wir sprachen über verschiedene Möglichkeiten, wie wir uns verstecken können, falls die Priester an Bord kommen und nach uns suchen. Die einzige sinnvolle Möglichkeit wäre die, dass wir uns in den großen Säcken mit Eisenerz unten im Lagerraum verstecken.«
»Und
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