Die Gebeine von Zora
d’hotel, zu einem Ecktisch und nahm persönlich ihre Bestellungen entgegen. Es war dies ein Akt besonderer Ehrerbietung; das übliche Verfahren sah nämlich so aus, dass der Gast seine Bestellung über die Theke direkt dem Koch zubrüllte.
»Diese Sonderbehandlung ist eine der angenehmen Seiten des Reiseleiterberufs«, erklärte Reith. »Sie hoffen alle auf zukünftige Touristen zum Ausbeuten.«
Außer ihnen saßen nur wenige Gäste in dem großen Saal, der auch den Tanzboden beherbergte. Doch gleich nachdem der Kellner ihnen ihr Essen aufgetragen hatte, kamen weitere Gäste herein. Marot, der gerade seine Ess-Stäbchen zum Munde führte, zuckte plötzlich so heftig zusammen, dass er den Bissen fallen ließ und sich mit dem Stäbchen ins Kinn stach. »Sucre dieu, was sind das denn für welche?«
Reith drehte sich um. Hinter ihrem Tisch marschierten drei reptilähnliche Wesen vorbei. Sie waren größer als ein Mensch, aber schlanker; sie gingen auf den Hinterbeinen und trugen die langen dicken Schwänze waagrecht aufgestellt, um den Körper im Gleichgewicht zu halten. Die Köpfe, die etwas kleiner waren als die von Menschen und eine gewölbte Schädeldecke hatten, saßen auf dreißig Zentimeter langen Hälsen. Ihre menschenähnlichen Arme endeten in Händen mit vier Krallen. Anstelle von Kleidern trugen die Neuankömmlinge verschlungene Muster aus Punkten und Streifen, die mit schwarzer, weißer und roter Farbe auf ihre Schuppenhaut gepinselt waren.
»Meinst du die?« fragte Reith. »Das sind Osirer. Vom Planeten Osiris.«
»Im procyonischen System«, fügte Alicia hinzu. »Sie besuchen Krishna recht häufig.«
Sie trug das durchsichtige, die Brustwarzen aussparende Kleid, das Ilui ihr in Kubyab geschenkt hatte. Ihr Anblick entfachte in Fergus Reith eine wahre Feuersbrunst von Gefühlen und Empfindungen. An erster Stelle natürlich sexuelle Erregung und unstillbare Liebessehnsucht, aber auch Wut darüber, wie sie, ihn in der Vergangenheit behandelt hatte, Kummer, weil sie. nicht mehr richtig die Seine war, und gleichzeitig Erleichterung darüber, dass er ihr aufbrausendes Temperament nicht mehr zu ertragen brauchte. Und – der leise aufkeimende Wunsch, den Zauberbann, in den sie ihn geschlagen hatte, zu zerbrechen und sie einfach zu vergessen, und die gleichzeitige, an seinem Selbstwertgefühl nagende Erkenntnis, dass er dazu nicht fähig war – zumindest nicht, solange er sie tagtäglich vor Augen hatte.
Marot tupfte sich den Blutstropfen vom Kinn und drückte seine Serviette (eine eßkulturelle Errungenschaft, die erst jüngst auf Krishna Verbreitung gefunden hatte, angeregt durch das terranische Vorbild) auf die Wunde, bis sie aufhörte zu bluten. »Wenn die Dinosaurier nicht auf der Erde ausgestorben wären, würden wir heute möglicherweise so ähnlich aussehen. Beziehungsweise, exakter ausgedrückt, die intelligente terranische Spezies, die unseren Platz im Biosystem einnähme.«
Die drei Osirer ließen sich nicht an einem Tisch nieder, sondern in einer von den Kellnern zu dem Zweck rasch freigemachten Ecke des Saales auf dem Fußboden, und zwar mit dem Gesicht zum Saal gewandt, so dass sich ihre Schwanzspitzen genau in der Ecke trafen. Die von ihnen bestellten Drinks stellten die Kellner vor ihnen auf den Fußboden.
Angur kam zum Tisch der Terraner und fragte: »Sind die Speisen nach eurem Geschmack, Meister Reith, Doktor Dyckman, Doktor Maghou?« Nachdem sie ihm alle drei versichert hatten, dass ihnen das Essen exzellent mundete, sagte er, Marots neugierige Seitenblicke zu den Osirern bemerkend: »Sie sind gute Kunden, nur haben sie immer Angst, dass ihnen jemand auf den Schwanz tritt.
Ich entsinne mich noch, wie einige Jahre zuvor einer von ihresgleichen einen Tropfen Kvad zuviel getrunken hatte und auf die Idee kam, er müsse allen einen terranischen Tanz vorführen. Also ergriff er unsere Unterhaltungskünstlerin, die talentierte Pari bab-Horaj, zerrte sie auf die Tanzfläche und wirbelte sie im Kreis umher. Ein anderes Paar tanzte gerade einen einfachen Ragsudar. Und just in dem Moment, da der Mann sich vor seiner Dame verneigen wollte, donnerte ihm des Schuppenwesens wild schwingender Schwanz genau ins Hinterteil. Sein Partner, ein Angehöriger der zu jener Zeit herrschenden Balhibya, trug sein Schwert unversiegelt in der Scheide. Der Mann, zornentbrannt, bemächtigte sich der Waffe seines Partners und hätte den Geschwänzten blutig niedergestreckt, hätte nicht ein zufällig anwesender
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