Die Gefährtin des Medicus
nicht, was er sagte, aber sah nun, wie Gasbert de Laval ihn fest an den Schultern packte. »Du musst endlich vergessen, was damals geschehen ist! Du hast Gott um Vergebung deiner Sünden gebeten, und er hat sie dir gewährt. Du hast ausreichend Buße getan, nun darfst du die Gnade Gottes nicht unterschätzen. Frevel ist’s, weil Hochmut, wenn man an nichts anderes denken kann, als an die eigenen Untaten. Auch bei der Reue, so ehrlich sie sein will, gilt es, dass die Ersten die Letzten sein werden.«
Laurent sagte nichts mehr, versuchte es auch gar nicht, sondern wandte sich schweigend ab. Doch das war Gasbert nicht genug. Er umrundete ihn, sodass er wieder in sein Gesicht sehen konnte.
»Von nun an kein Wort mehr über diese schändliche Angelegenheit, hast du mich verstanden?«
Laurent nickte zaghaft.
Gaufridus indessen rieb sich nachdenklich das Kinn. »Denkt Ihr, dass auch Autard schweigen wird?«
Alaïs duckte sich, denn eben schritt Laurent an ihr vorbei. Doch sein Blick war so starr auf den Boden gerichtet, dass er sie wohl auch dann nicht bemerkt hätte, wenn sie direkt neben ihm gestanden hätte.
Noch tiefer verbarg sie sich im Schatten der Truhe, konnte die beiden nicht mehr sehen, aber gut hören.
»Es hilft, dass er sich für andere nicht zu interessieren scheint«, sprach Gasbert de Laval eben. »Vielleicht hat er morgen schon vergessen, Laurent jemals begegnet zu sein. Und er weiß auch nichts von dessen dunkler Vergangenheit. Trotzdem …«, seine Stimme klang so gepresst, als würde er die Hände zu Fäusten ballen, »trotzdem schenkt mir nichts und niemand die Gewissheit, dass er sich nicht verplappern wird. Bislang war er nur lästig – jetzt ist er gefährlich. Ach, was wünschte ich, ich hätte etwas gegen ihn in der Hand!«
»Habt Ihr mehr über ihn herausgefunden?«, fragte Gaufridus nachdenklich. »Wisst Ihr mittlerweile, woher er kommt?«
Gasbert stieß einen verächtlichen Laut aus. »Nichts, was mir nützlich wäre. Er soll in Montpellier studiert haben. Pah! Wenn er ein wirklich großer Medicus wäre, warum glich er einem abgerissenen Halunken, als wir seinerzeit auf ihn stießen? Und war das damals tatsächlich nur Zufall?«
»Den Zusammenstoß mit den Schafen und die Verletzung des Heiligen Vaters hat er nicht verursacht.«
»Aber zu seinen Gunsten genutzt! Ich für meinen Teil werde wachsam bleiben, und wenn es etwas gibt, was dieser Mann vor uns verbirgt, dann werde ich es herausfinden und gegen ihn verwenden, das schwöre ich Euch. Die geweihten Männer stehen über den ungeweihten. So wird es dereinst im Himmelreich sein. So ist es bereits hier auf Erden.«
Die Männer beendeten ihr Gespräch und folgten nun Laurent in Richtung des Tores. Alaïs wagte kaum zu atmen, legte sich flach auf den Boden. Dann waren die Schritte auch schon verklungen, und sie war allein mit ihren Gedanken, auch mit ihren Erinnerungen. Daran, dass Aurel, der stets begeistert die Namen sämtlicher großer ärzte aufzählte, aber erstaunlich schweigsam wurde, wenn es um die Zeit in Montpellier ging. Dass er sich zwar rühmte, dort studiert zu haben, es jedoch nie mit weitschweifenden Erzählungen ausgeschmückt hatte.
Was geht’s mich an?, dachte sie – genauso, wie sie vor einigen Tagen gedacht hatte, als Marguerite ihr über Laval und dessenKarriere berichtet hatte. Sie erhob sich und rieb sich die schmerzenden Glieder.
Es war Aureis Sache, dass Gasbert de Laval ihn hasste – und Aurel brauchte sie nicht mehr. Mit Aurel hatte sie nichts mehr zu schaffen.
Sie versuchte, weder darüber nachzudenken noch über das, was Laurent Bonredon getan hatte und warum. In den Jahren, die folgten, gelang ihr das mühelos.
Vierter Teil
Intrigen
Sommer 1525
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XVIII. Kapitel
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Der Fisch hatte glupschige Augen und eine dicke Unterlippe. Bis dicht an die Oberfläche schwamm er heran, schien jene glasige Grenze zwischen Wasser und Luft überschreiten zu wollen und sank dann doch wieder auf den dunkelgrünen Grund hinab, wo Algen wucherten. Kleine Strudel stiegen hoch, wo seine Flosse durch das Wasser pflügte.
»Wird der Papst ihn aufessen?«, fragte Roselina.
Alaïs zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, welchen Fisch der Papst bevorzugt. Deine Mutter sagte mir einst, es wären Delphine und Störe.«
»Und wo sind die Delphine?«
Wieder zuckte Alaïs die Schultern. Gehört hatte sie von jenen besonderen Fischen schon oft, sie gesehen aber noch nie.
Hier bei den Resten der alten
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