Die Gefährtin des Medicus
sodass eine ausreichende Wegstrecke bleibt, damit die Spermien auskühlen können.«
Der eine Student räusperte sich noch lauter. Die anderen hingegen zogen ihre errötenden Köpfe ein.
»Der rechte Hoden ist größer als der linke«, fuhr Aurel fort, »denn dort wird alles überflüssige Blut aus dem menschlichen Körper gesammelt, um die Spermien zu produzieren.«
Nun endlich fasste sich der verlegene Student den Mut, nicht nur mit Gesten, sondern auch mit Worten einzugreifen. »Vielleicht sollten wir es auf später verschieben?«
Aurel fuhr herum, nahm jetzt erst Alaïs wahr. Die kurze Pause, die er machte, nutzten die Studenten, um hastig aufzuspringen und dem Hof zu entfliehen, darum bemüht, möglichst viel Abstand zwischen sich und die junge Frau zu bringen, die eben gehört hatte, was eine Frau ganz gewiss nicht hören sollte.
Jene Meinung teilte Aurel nicht. Er war über den plötzlichen Aufbruch seiner Zuhörer sichtlich enttäuscht.
Alaïs trat unsicher von einem Bein auf das andere. Selten hatte sie sich in den letzten Jahren mit Aurel allein in einem Raum aufgehalten, und nie war es seine Anwesenheit gewesen, die sie zum
Domus
lockte, sondern immer nur die seines Bruders. Dass sie hin und wieder auf Emys Gesellschaft Wert legte, hätte sie niemals zugegeben, jedoch, dass sie ihn zu einem bestimmten Zwecke brauchte: nämlich, um Briefe an ihre Eltern zu schreiben. Genau betrachtet diktierte sie nur, er schrieb – und er sorgte auch dafür, dass einer der päpstlichen Kuriere sie nach Saint – Marthe brachte. Sie wusste nicht genau, womit Emy diese bestach – ob mit Essen, Kleidung oder wichtigen Informationen –, nur, dass sie sich mit Caterina und Ray austauschen konnte. Gerne hätte sie selbst sich damit begnügt, sich des Wohlergehens der Eltern ein, zwei Mal im Jahr zu vergewissern und dann auch ihrerseits Nachricht von dem ihren zu geben. Doch leider gaben sich ihre Eltern nicht damit zufrieden, ja, sie pochten nicht nur darauf, häufiger von ihr zu hören, sondern obendrein auch darauf, dass sie in die Heimat zurückkehren sollte. Die fromme Guillelma sei gestorben, so verkündigte eine ihrer Nachrichten, und Frère Lazaire hätte dies zum Anlass genommen, stillschweigend und ohne Abschied von Saint – Marthe zu scheiden. Nicht länger gebe es einen Grund für ihre Verbannung. Seitdem musste Alaïs immer wieder neue Ausflüchte finden, warum es nicht möglich war. Die letzten Wochen hatte sie einfach gar nicht mehr geschrieben – um heute freilich vom schlechten Gewissen hierher getrieben zu werden.
»Hast du gesehen?«, fragte Aurel unvermittelt. »Es kommen schon viel mehr Studenten zu mir als zu Jules Aleni. Der Mann versteht vielleicht etwas von Medikamenten, aber nichts vom Körper. Ein guter
Apothecarius
kann man bei ihm werden, kein
Cyrurgicus.
Letzteres strebt diese Schar aber an. Nicht mehr lange, und ich werde mit ihnen Leichname sezieren.«
Alaïs musterte ihn nachlässig. Er war nicht mehr so hager und schlaksig wie früher. Er war gewiss groß und wendig genug, um nicht dicklich zu wirken, aber er machte nicht den Eindruck, als würde er so oft aufs Essen verzichten wie einst. Das braune Haar war glatt und schulterlang, aber gerade geschnitten und nicht von Dreck verklebt. Vor allem aber seine Kleidung hatte sich geändert: Keine fleckige Tunika aus einfachem Leiden trug er mehr, sondern einen Wams aus schwarzem Samt, der ihn erwachsener und ernster aussehen ließ.
Seit der Begegnung in der Lagerhalle war er ihr fremd geblieben. Kaum erinnerte sie sich noch an die heftigen Gefühle, die er einst in ihr hatte erwecken können. Sie begegnete ihm mit jener Höflichkeit, die man einem alten Bekannten schuldet, war aber stets erleichtert, wenn sie nicht mit ihm reden musste – so auch jetzt, als hinter ihr Schritte ertönten und sie nicht länger mit ihm allein war. Emy kam, schwer beladen mit Körben, und nickte ihr flüchtig zu, während er sie vorsichtig abstellte. Auf Aurel verharrte sein Blick länger – und strenger.
»Was machst du hier?«
Alaïs wollte schon zur Rechtfertigung ansetzen, gewahrte dann jedoch, dass die Frage nicht ihr galt.
»Was wohl!«, rief Aurel. »Eben waren Studenten da. Ich habe sie belehrt.«
Emy stellte nach den Körben den Beutel ab, den er über den Schultern trug. Gewiss befand sich darin sein Anteil der Waren, die er heute für den Hof eingekauft hatte.
»Du solltest beim Papst sein«, sagte er, »du bist viel zu selten bei ihm.
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