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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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sie Laure lange und eindringlich. »Du siehst zufrieden aus.«
    »Ich bin’s zufrieden.«
    »Das ist gut. Was gibt es Neues?«
    »Man will, dass die Päpste abdanken.«
    »Ich brauche keinen.«
    Laure verschluckte sich fast. Hemma hatte sehr eigenwillige Ansichten, die sie ihr gegenüber manchmal äußerte. Allerdings hatte auch sie selbst in den vergangenen Jahren nicht mehr so recht an die Heiligkeit der Päpste glauben können – drei, die sich um den Titel zankten, waren denn doch zu viel.
    »Wenn sie es tun, wird es einen neuen geben.«
    »Sicher. Der Heilige Stuhl ist eine begehrte Sitzgelegenheit. Aber es wird auch darum viel Gezänk und Intrigen geben. Hoffen wir, dass wir weit genug davon entfernt leben.«
    »Ihr meint …«
    »Lass dir nicht deinen Frieden von einer alten Unke wie mir rauben. Wie läuft es in deinem Wirtshaus?«
    »Elseken zetert, Goswin brummt, es gibt viel zu tun, die Kinder sind gesund, und die neue Magd stellt sich gelehrig an.«
    »Du hast eine neue Magd?«
    Laure zog ihr Büchlein aus der Schürzentasche und schlug es auf. Sie berichtete Hemma, wie sie Martine aufgenommen hatte.
    »Sie ist gewissenhaft und fleißig, aber sie scheut sich, die Schankstube zu betreten.«
    »Wundert dich das, Laure? Ein Weib, das keine Antwort auf Scherzworte oder Grobheiten geben kann?«
    »Ihr habt recht, es ist leichter für sie, im Hintergrund zu wirken. Sie wird auch kräftiger, seit sie regelmäßig Essen bekommt, auch wenn Elseken ihr jeden Bissen neidet und sie mit Habichtsaugen überwacht. Aber Martine ist keine Diebin. Und die anderen aus dem Gesinde sind ihr wohlgesinnt. Sie kann gut nähen und macht allerlei Flickarbeiten für sie. Manchmal frage ich mich, ob sie einst in einem Kloster gelebt hat.«
    »Kloster, Stift, Beginenkonvent – vielleicht.« Hemma betrachtete die Zeichnungen. »Sie muss einmal ein ansehn­liches Weib gewesen sein.«
    »Sie ist auch nicht dumm. Sie hat sich einige Hand­zeichen angewöhnt, mit denen sie sich verständigen kann.«
    Laure nahm ein Holzstäbchen auf, an dem zwei Flaumfedern befestigt waren.
    »Hübsch.«
    »Und wirkungsvoll – so hoffe ich.«
    »Euch haben wieder ein paar Streithähne aufgesucht?«
    »Von Köln her sogar. Woher immer sie wussten, wie sie mich finden konnten.«
    Laure lächelte. »Werden sie in der ›Bischofsmütze‹ gehört haben. Man flüstert darüber, dass Ihr als Friedensengel wirkt.«
    »Flüsterst du ihnen das ein?«
    »Manchmal, wenn ich glaube, dass Ihr helfen könnt.«
    Hemma nahm eine Eichel auf und drehte sie in den Fingern.
    »Ich kann ihnen helfen, im Frieden mit sich selbst zu leben. Dann ist es auch leicht, im Frieden mit der Welt zu stehen«, sagte sie leise vor sich hin.
    »Ja, so ist das wohl. Ich sollte Elseken zu Euch schicken.«
    »Vielleicht. Aber ihre Verbitterung reicht tief.« Hemma wies auf eine Zeichnung von ihr. »Und wer nicht will, dass ihm geholfen wird, dem kann ich auch keinen Weg zum inneren Frieden weisen.«
    »Mir habt Ihr ihn gewiesen.«
    »Du hast ihn selbst gefunden.«
    »Ich weiß nicht …«
    Die alte Frau lachte leise. »Du hast ein Auge für die Schönheit und für das Verborgene.« Sie tauchte den Löffel in die Kirschspeise, kostete und leckte ihn ab. »Und eine Hand für das Köst­liche.«
    Laure freute sich über das Lob, und sie saß sinnend am Tisch, während ein, zwei Eichhörnchen durch die Tür schlüpften und sich zutraulich näherten. Sie legte ein paar Nüsse aus dem Korb auf die Bank, und mit ihren Händchen nahmen die beiden sie auf und begannen zierlich daran zu knabbern.
    Solange Laure denken konnte, lebte Hemma schon in ihrer Klause, aber Kornel hatte ihr gesagt, dass sie erst im Jahre 1400 hier Unterschlupf gefunden hatte. Er selbst hatte Hemma geholfen, die Hütte zu bauen. Schon damals hatte sie den Ruf einer frommen Einsiedlerin gehabt, einer Mystikerin, die von den Menschen als Friedensstifterin verehrt wurde. Dass die wilden Tiere des Waldes sich bei ihr versammelten, unterstützte diesen Ruf noch mehr. Kornel hatte Laure schon in ihrem ersten Ehejahr mit zu ihr genommen, und aus ihrer anfäng­lichen Scheu und Ehrfurcht war mit der Zeit eine tiefe Zuneigung geworden. Hemma war es auch, die ihr die Augen für die Geheimnisse der Natur geöffnet hatte und sie ermunterte, ihr Talent dazu zu verwenden, sie abzubilden. Blumen, Kräuter, knorrige Äste, kleine Tiere hatte sie auf ihre Weisung hin genau betrachtet, dann gezeichnet und sich darüber die Wunder der

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