Die Gefährtin des Vaganten
Fähigkeiten. Eine davon war die Goldstickerei.
Die andere war das Gewähren von Erlösung.
Es war nicht eben ein Lächeln, das seine Lippen umspielte, aber Genugtuung über die Entwicklung, die sein Plan gezeitigt hatte, spiegelte sich auf seinen Zügen wider. Der Handel mit den neuen Reliquien ließ das Geld sprudeln, seit er die Sache in die Hand genommen hatte.
Bisher hatte die Oberin des Konvents der verschleierten Damen sich darum gekümmert: die Frau, die von ihren Töchtern Mater Dolorosa genannt wurde. Sie hatte jenen Männern, die sie aufsuchten und um Hilfe baten, gegen entsprechende Spenden Erlösung von ihren Sünden gewährt und damit die Organisation recht gut ausgestattet. Aber seine Pläne griffen weiter, und mehr Einnahmen waren nötig geworden, um sein großes Ziel zu erreichen. Vor allem auf jene Klientel, die so viele Gewinne machte und davon viel zu wenig der Kirche abgab, die Händler und Kaufleute, hatte er sein Augenmerk gerichtet. Ihren Reichtum galt es abzuschöpfen, und bei vielen gelang das mit seiner neuen Maßnahme mit Leichtigkeit. Weil eben genau diese Männer etwas Materielles in der Hand haben wollten.
Er gab es ihnen.
Dank der Mater Dolorosa.
Die Erlösung Suchenden konnten sich nun nicht nur gegen Münzgaben von ihren Vergehen freikaufen, sondern bekamen als Anreiz auch ein Stück Stoff vom Leichentuch des Herrn ausgehändigt, das sie als wundertätige Reliquie weiterverkaufen durften. Zu dem Preis, den sie dafür bei den gutgläubigen Trotteln erzielen konnten. Allerdings verpflichteten sie sich, die Hälfte der Einnahmen wieder dem Konvent der verschleierten Damen zu überlassen – und damit ging das Geld an ihn.
Ja, es bewährte sich. Die Kaufleute waren bewundernswert geschäftstüchtig. So hatte er mit der Mater Dolorosa ausgemacht, dass jene, die besonders viele Reliquien verkauften oder besonders hohe Preise erzielten, damit auch die Gewissheit erhielten, dass die Sünden ihrer Vorfahren vergeben wurden. Das Fegefeuer würde ein öder Ort werden, wenn alle Sünder erlöst waren.
Diesmal flackerte wirklich ein Lächeln um die Lippen des Mannes in der Seidenrobe.
Die neu geschaffene Legende fing mit Macht an, ihre Wirkung zu entfalten.
Das war zwar zufriedenstellend, andererseits war ein lästiges Problem aufgetaucht. Das geheime Buch, die Aufzeichnungen des Max von Hürth, war verschwunden. Die Mater Dolorosa hatte ihm gestanden, dass ihre Schwester es ihr gestohlen und an einen unbekannten Ort gebracht hatte. Er hatte ihr die strenge Anweisung erteilt, das geheime Buch wiederzubeschaffen. Nie, niemals durften diese Aufzeichnungen bekanntwerden, davon hing alles ab – seine Zukunft, die des Papstes und die der Christenheit.
13. Dicksaft und Fruchtmus
Goswin war mit seinen Saufkumpanen fort, und Laure war erleichtert darüber. Zwei Tage hatten Alard und Curt sich im Gasthaus herumgetrieben, auf ihre Kosten gesoffen und sich mit ihren Taten aus den Söldnertagen gebrüstet. Den Kindern hatten sie Angst gemacht mit ihren rohen Schilderungen von Tod und Verstümmlung, und da mit Goswin darüber nicht zu reden war, hatte Laure versucht, über Elseken auf ihn einzuwirken, aber die hatte sich unberührt von den Schilderungen gezeigt.
»So geht es in der Welt eben zu. Du bist eine Zimperliese, Laure, und deine Kinder sind sowieso viel zu verweichlicht.«
Seit dem Vorfall mit dem Leinenfetzen, den Elseken für eine Reliquie hielt, war ihr Verhältnis noch etwas weiter abgekühlt. Sie redeten kaum das Nötigste miteinander. Und Goswin hatte wegen des einbehaltenen Geldes ebenfalls gewütet und getobt, allerdings nicht nur mit ihr, sondern auch mit seinem Weib, das sich einen solchen nutzlosen Lappen hatte andrehen lassen. Kurzum, die Stimmung war ausgesprochen vergiftet.
Laure hatte Jan und Paitze so gut es ging mit Arbeiten beschäftigt, die sie vom Hof und vom Gasthaus fernhielten. Was nicht schwierig war, denn die Birnen und Äpfel waren reif und mussten geerntet werden. Einen Teil der Früchte lagerten sie im kühlen, dunklen Keller, andere schnitten sie in Scheiben und fädelten sie zum Trocknen auf dünne Hanfschnüre, vor allem aber stellten sie Fruchtmus und Dicksaft her. Wann immer Elseken die Küche freigab, schnitzelte Laure mit ihren Kindern das Obst klein und zerkochte es in dem großen Kessel. Zwar waren die reifen Früchte süß, doch sie gab Honig dazu, und wenn das Mus fertig war, drückten sie die Masse durch ein Leinentuch in Schüsseln. Den Saft
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