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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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stimmt, nach Limburg.«
    »Na, der Pfarrer Daniel, der mochte das Kind.« Wieder erklang das meckernde Lachen. »Könnt sein, es war seins.«
    »Hab ich auch immer gedacht«, mischte sich eine andere Alte ein. »Was wär so schlimm dran?«
    »Ja, Herr, was wär so schlimm dran?«
    »Vermutlich nichts. Es gibt nicht wenige Pfarrbastarde«, murmelte Hagan.
    »Tja, manche kriegen sogar später reiche Pfründe. Die klüngeln genauso wie die Ratsherren, die Kirchenherren und Domjrafen.«
    Wie wahr, dachte Hagan und zog aus seinem Beutel weitere Holzschnitzereien heraus.
    »Ist die Hanna wieder Haushälterin geworden?«, fragte er beiläufig, als die gichtigen Finger die Marienfigürchen betasteten.
    »Na, wohl nicht so eine Haushälterin wie bei unserm Herrn Pfarrer«, kicherte die dritte Alte anzüglich. »Die muss jetzt mehr als einem Herrn dienen. Und nicht mit Putzen und Waschen, wenn ihr versteht, was ich meine. Dummes Huhn, das.«
    Diese Bemerkung weckte die Neugier der beiden anderen Alten, und Hagan bemühte sich, so unsichtbar wie möglich zu werden. Skandalöser Klatsch unter Weibern konnte höchst aufschlussreich und überaus gehässig sein.
    Die Alte hatte von einer Gruppe Frauen gehört, die mit einigen Klerikern ins Geschäft gekommen waren.
    »Buhlschaften mit den Äbten und den Stiftsherrn, wie’s heißt. Müssen Sodomie mit ihnen treiben und andere gottesläster­liche Dinge. Sagt man.«
    »Woher weißt du das, Gret?«
    »Die Muhm von minger Nachbarsche …« Es folgte eine verwickelte Verwandt- und Bekanntschaftsbeziehung, der zu folgen Hagan nicht in der Lage war, die ihm aber die Erkenntnis bescherte, dass eine Gemeinschaft existierte, die sich »Töchter der Nacht« nannten. Hier merkte er auf. Von jenen Töchtern hatte auch Melle gesprochen. Diese Frauen schienen auf irgendeine nicht näher bekannte Art dazu angehalten zu werden, hohen Geist­lichen ihre Liebesdienste zur Verfügung zu stellen und die Einkünfte aus diesen Tätigkeiten jenem Magister Lambertus abliefern zu müssen.
    Korruption in ihrer reinsten Blüte.
    Arme Hanna, dachte Hagan. Hatte sie so gar keine andere Wahl gehabt?
    Das Gespräch wandte sich wieder irgendwelchen Verwandtschaftsbeziehungen ehebrecherischer Art zu, und er empfahl sich unauffällig.
    Sein nächstes Ziel war das Judenviertel, das sich hinter dem Rathaus erstreckte. Er kannte zwar den Namen des Mannes, nicht aber seinen Wohnort. Darum musste er sich mühsam durchfragen. Misstrauen schlug ihm entgegen, als er sich nach dem Geldverleiher erkundigte. Aber schließlich wies ihm ein alter, knorriger Mann den Weg.
    Der Jude erwies sich allerdings als zugäng­licher, geschäftstüchtiger Mann, der Hanna einen guten Leumund ausstellte. Die Summe, die für Melle hinterlegt war, erschien Hagan recht beträchtlich. Da der Geldverleiher Zinsen darauf zahlte, beschloss er, sie weiterhin bei ihm zu deponieren, bis sich entschieden hatte, welcher Konvent Melle aufnehmen würde.
    Mit Piet wollte er sich erst wieder am Abend treffen, so verblieb ihm noch der Großteil des Nachmittags. Er schlenderte über den Alter Markt und begutachtete das lebhafte Treiben. Doch seine Gedanken wanderten wieder zu Hanna.
    Was hatte sie getrieben, sich diesem Lambertus anzuschließen? Und das, obwohl sie einen reichen Sparpfennig gehortet hatte? Warum, in drei Teufels Namen, war sie zur Pfaffenhure geworden?
    Damals, vor dreizehn Jahren, als er sie auf dem Turnier in Darmstadt getroffen hatte, war sie eine ehrbare, wenn auch leichtfertige junge Frau gewesen. Sie hatten einige Tage ihren Spaß miteinander gehabt, aber wirklich kennengelernt hatte er sie nicht. Melle aber schien sie mit einiger Sorgfalt erzogen zu haben, und dem Pfarrer hatte sie eine große Zuneigung entgegengebracht. Eine Pfarrkonkubine lebte zwar auch nicht eben in einem geachteten Stand, war aber noch immer weit von einer Hure entfernt. Die Not konnte nicht der Grund für ihre Entscheidung gewesen sein, so wie manches arme Weib seinen Leib für ein paar Kupferlinge und ein warmes Essen verkaufte.
    Die Töchter der Nacht – was war das für eine Gruppe? In Konstanz hatte Hanna angedeutet, dass sie Nachrichten sammelten. Spitzeldienste für einen Mann, der damit ein Ziel verfolgte. Gerüchte, Geheimnisse, Mutmaßungen – aus solchen Wissensbröckchen konnte man sich, wenn man gewisse Hintergründe kannte, ein vielschichtiges Bild zu einer Lage machen.
    Welches Bild zu welcher Lage und zu welchem Zweck?
    Hagans Neugier war

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