Die Gefahr
Keane war hinausgegangen, um mit dem Chef der New Yorker Börse zu telefonieren, und Vizepräsident Baxter hatte sich zurückgezogen, um erst einmal die Abfuhr zu verdauen, die man ihm erteilt hatte. General Flood und Verteidigungsminister Culbertson kümmerten sich immer noch um die anderen drei Schiffe. Somit blieben noch der Präsident, seine Stabschefin, die CIA-Direktorin, die Außenministerin sowie der Sicherheitsberater des Präsidenten.
Als Reimers Stimme ertönte, hielt jeder der Anwesenden in dem inne, was er gerade tat, und blickte zum Bildschirm auf.
Reimers Gesichtsausdruck war nicht mehr so ernst wie zuvor – er wirkte irgendwie gelöst und fast heiter. »Mr. President, ich habe Neuigkeiten zu berichten.«
»Schießen Sie los, Mr. Reimer.«
»Nachdem wir den Container durchleuchtet haben, sind wir uns über eine Sache einig: wir haben es lediglich mit dem nackten, spaltbaren Material zu tun.«
Präsident Hayes konnte mit dem Ausdruck nichts anfangen, doch das Lächeln auf Reimers Lippen ließ ihn annehmen, dass diese Entdeckung etwas Positives sein musste. »Mr. Reimer, ich habe keine Ahnung, was Sie mit dem ›nackten, spaltbaren Material‹ meinen, aber nachdem ich Sie zum ersten Mal am heutigen Tag lächeln sehe, gehe ich davon aus, dass nackt in diesem Fall besser ist als bekleidet.«
»Das kann man auf jeden Fall so sagen, Mr. President«, bestätigte Reimer lachend.
»Also, womit haben wir’s genau zu tun?«
»Nun, kurz gesagt, Sir, handelt es sich um eine Kugel aus waffenfähigem Nuklearmaterial ohne Zündvorrichtung und Sprengstoff. Letzteres braucht man aber, um durch die Implosion die Kettenreaktion auszulösen.«
Hayes glaubte zu verstehen, was Reimer meinte. »Wir haben es also im Wesentlichen mit dem Kern einer Atombombe zu tun … und nicht mehr?«
»Das könnte man so sagen, Sir.«
»Das Ding kann also nicht hochgehen.« Reimer überlegte kurz, ob er dem Präsidenten den einen Ausnahmefall erläutern sollte, doch die Wahrscheinlichkeit eines solchen Unfalls war so gering, dass man nicht näher darauf einzugehen brauchte. »Ohne Sprengladung und Zündmechanismus kann das Ding nicht viel Schaden anrichten, Sir.«
»Dann sind wir also in Sicherheit?«, fragte Valerie Jones.
»Ja. Das Spaltmaterial, so wie wir es hier vor uns haben, stellt keine wirkliche Bedrohung für die Stadt Charleston dar.«
Im Konferenzzimmer brach lauter Jubel über diese gute Nachricht aus. Die Erleichterung war riesengroß, einige lachten nervös, andere fielen einander sogar in die Arme. Der Präsident und die Mitglieder des Sicherheitsrates gratulierten Reimer und seinen Leuten zu der guten Arbeit, die sie geleistet hatten. Nach einer Minute beruhigte man sich wieder, und der Präsident wollte Reimer gerade eine Frage stellen, als die Tür zum Konferenzzimmer aufging. Ein Angehöriger von Valerie Jones’ Team kam herein und trat rasch an die Seite der Stabschefin.
Sie hörte ihm einige Augenblicke zu und griff dann zum Telefon, das vor ihr stand. Sie drückte auf die rot blinkende Taste und sagte: »Tim.« Etwa zehn Sekunden lang hörte sie aufmerksam zu. Sie versuchte mehrmals vergeblich, ihren Gesprächspartner zu unterbrechen. »Tim«, sagte sie schließlich, »ich habe schon verstanden. Empfangen Sie ihn in einer Viertelstunde in Ihrem Büro. Sagen Sie ihm, dass ich persönlich mit ihm spreche.«
Sie hörte weitere fünf Sekunden zu und schüttelte dabei unentwegt den Kopf. »Das ist doch Quatsch, Tim, und Sie können ihm das ruhig von mir ausrichten. Wenn er nicht eine Viertelstunde warten kann, dann werde ich dafür sorgen, dass er nie wieder ein Interview mit einem Mitglied dieser Regierung bekommt. Außerdem werde ich seinen Chef anrufen, dann wird er schon sehen, was er davon hat. Also, empfangen Sie ihn in einer Viertelstunde in Ihrem Büro und rufen Sie mich dann wieder an.«
Valerie Jones knallte den Hörer auf die Gabel und blickte zum Präsidenten auf. »Die Times will berichten, dass Sie mit dem gesamten Kabinett aus Washington evakuiert wurden.«
46
CHARLESTON
Es war bereits neun Uhr vormittags vorbei, und Ahmed al-Adel wurde immer nervöser. Seit er die Speditionsfirma übernommen hatte, war er unzählige Male zum Hafen gefahren, doch nie in einer so wichtigen Mission wie heute. Die Fahrten waren meist ohne Zwischenfälle verlaufen. Al-Adel brach stets früh von Atlanta auf, um dem ärgsten Verkehr aus dem Weg zu gehen, und kam in Charleston an, bevor der Hafen um sieben Uhr
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