Die gefangene Braut
lernen. Im übrigen würde ich es vorziehen, wenn du mich mit Philip oder mit Abu ansprichst, denn so werde ich hier genannt. Ich finde, es ist an der Zeit, daß du die Förmlichkeiten ablegst.«
»Ich würde es vorziehen, bei den Förmlichkeiten zu bleiben, Mr. Caxton. Zumindest macht das Ihrem Volk klar, daß ich nicht freiwillig hier bin«, sagte sie schnippisch.
Philip grinste boshaft. »Die Leute wissen längst, daß du nicht freiwillig hier bist, aber sie wissen auch, daß ich kein Mann bin, den man warten läßt. Sie gehen davon aus, daß du letzte Nacht defloriert worden bist. Vielleicht kommt es heute nacht dazu.«
Christina riß die Augen auf. »Aber Sie – Sie haben es doch versprochen! Haben Sie denn gar keine Skrupel?«
»Ich halte immer mein Wort, Tina. Es wird nicht nötig sein, dich zu vergewaltigen. Wie ich dir bereits sagte, wirst du mich ebensosehr begehren wie ich dich.«
»Sie müssen verrückt sein! Wie könnte ich Sie begehren, wenn ich Sie mit meinem ganzen Wesen verachte?« fragte sie aufbrausend. »Sie haben mich von meinem Bruder und von allem, was ich liebe, fortgeholt. Sie halten mich hier gefangen und lassen mich bewachen. Ich hasse Sie!«
Christina stolzierte hinaus und verfluchte ihn innerlich mit allen üblen Schimpfwörtern, die ihr nur einfielen. Plötzlich bemerkte sie zwei Stapel Bücher und mindestens zehn Ballen Stoff, die neben einem der Sofas lagen. Sie vergaß ihren Ärger und sah sich die Schätze an.
Es waren Seide, Satin, Samt und Brokat in den schönsten Farben, die sie je gesehen hatte. Sogar ein Ballen fast durchsichtiger Baumwolle für Unterkleider war dabei. Garn in allen passenden Farben, Scheren, kunstvolle Borten und alles, was sie brauchen konnte, um sich schöne Kleider zu nähen, lag vor ihr.
Dann wandte sie sich den Büchern zu, nahm sie eins nach dem anderen in die Hand. Shakespeare, Defoe, Homer … Manche dieser Bücher hatte sie schon gelesen, und manche waren von Schriftstellern, von denen sie noch nie gehört hatte. Neben den Büchern lagen ein Kamm und eine Bürste aus kunstvoll geschnitztem Elfenbein.
Christina war begeistert. Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, das zum Geburtstag mit so üppigen Geschenken überschüttet wird, daß sie bis zum nächsten Geburtstag reichen werden. Philip hatte hinter ihr gestanden und ihre Freude über diese Überraschung gesehen. Sie wirbelte herum.
»Ist das für mich?« fragte sie zimperlich, während sie ihre Hand über einen Ballen blauen Samt gleiten ließ, der exakt der Farbe ihrer Augen entsprach.
»Es war für dich gedacht, aber so, wie du dich benommen hast, weiß ich nicht, ob ich es dir geben sollte«, sagte er.
Seine grauen Augen gaben keinen Hinweis darauf, ob er Spaß machte oder nicht. Plötzlich war sie ganz verzweifelt.
»Bitte, Philip! Ich gehe ein, wenn ich nichts habe, womit ich mich beschäftigen kann.«
»Vielleicht könntest du mir auch etwas geben«, erwiderte er mit rauchig heiserer Stimme.
»Du weißt, daß ich das nicht tun kann. Warum quälst du mich so?«
»Du ziehst vorschnelle Schlußfolgerungen, mein Liebling. Ich hatte nur an einen Kuß gedacht – einen Kuß mit Gefühl.«
Christina warf einen Blick auf die Fülle an Schätzen, die auf dem Sofa lagen. Was kann ein kleiner Kuß schon schaden, dachte sie, wenn ich dafür bekomme, was ich will? Sie kam auf ihn zu und wartete mit geschlossenen Augen ab, aber er tat gar nichts. Sie schlug die Augen auf und sah ihn an. In seinem Blick stand Belustigung.
»Ich habe dich aufgefordert, mir einen Kuß zu geben, junge Frau, und zwar mit Gefühl.« Er sah lächelnd auf sie hinunter.
Nach kurzem Zögern legte Christina ihre Arme um seinen Hals und zog seinen Mund auf ihren hinunter. Sie öffnete die Lippen. Der Kuß begann zart, ehe seine Zunge in ihren Mund vordrang. Wieder durchzuckte sie dieses Flattern, doch diesmal wehrte sie sich nicht dagegen. Seine Arme schlangen sich um sie und drückten ihren Körper an sich. Sie spürte das Harte zwischen seinen Beinen, als er seine Lippen senkte und eine Feuerspur auf ihrem Nacken hinterließ.
Philip hob sie auf seine Arme und trug sie zum Schlafzimmer. Christina fing an zu zappeln.
»Du wolltest nur einen Kuß! Bitte, stell mich wieder hin«, bettelte sie.
»Verdammt noch mal, Frau! Es wird eine Zeit kommen, in der du gern mit mir kommst, das verspreche ich dir.«
Er stellte sie ab und ging. Ein Lächeln trat auf Christinas Lippen. Aber wie lange würde ihr Glück anhalten?
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