Die Gegenpäpstin
überfallen und
Geiseln nehmen oder ein Flugzeug kapern. Ganz wie es Ihrer Natur entspricht.«
»Meiner Natur entspricht es überhaupt nicht mehr, so ein Ding in die Hand zu nehmen«, entgegnete Padrig trotzig, bevor er
die Waffe demonstrativ dem Inspektor hinhielt. »Ganz gleich, was man damit anstellen kann.«
Morgenstern machte keine Anstalten, die Waffe zurückzunehmen. Statt dessen sah er Padrig ernst an. »Vergessen Sie für eine
Weile das Lamm, das in Ihnen blökt«, bemerkte er lakonisch, |396| »und lassen Sie den Wolf von der Kette. Er wartet schon darauf, falls Sie es noch nicht bemerkt haben sollten.«
Padrig ließ die Waffe sinken.
»Oder können Sie etwa nicht damit umgehen?« Die Frage des Inspektors sollte eindeutig provozieren.
»Natürlich«, murmelte Padrig geschlagen. »So etwas vergißt man nicht. Das ist wie Fahrradfahren.«
Um acht Uhr erreichten sie das Castello. Noch während sie im Auto saßen, erklärte Morgenstern, was er vorhatte.
»Gegen neun Uhr dreißig verläßt der Wäschetransporter den Hof der
Lavanderia Affascinante
. Wir positionieren uns ungefähr drei Kilometer vor der Zufahrt zum Castello auf dieser Straße.« Morgenstern hatte eine Karte
entfaltet und zeigte Padrig den Verlauf der Strecke, die der Lieferwagen jeden Morgen nahm. »Hier werden wir den Kleinlaster
stoppen und die Fahrer bitten auszusteigen, damit sie uns freundlicherweise ihren Wagen überlassen.«
»Das werden sie wohl kaum freiwillig tun«, bemerkte Padrig.
»Lassen Sie das getrost meine Sorge sein«, bestätigte der Inspektor nüchtern. »Ich habe ein paar Vorkehrungen getroffen, die
hoffentlich funktionieren werden. Anschließend werden wir in die weißen Kittel der beiden Fahrer schlüpfen und den Wagen übernehmen.
Neros Wachen checken jeden Lieferwagen mit einem Röntgenscanner, wie er in großen Häfen üblich ist, wo Container auf illegale
Flüchtlinge hin untersucht werden. Wir sind also gezwungen, unsere Waffen vorübergehend in unscheinbare Bleikisten abzulegen,
bis wir auf das Gelände gelangt sind. Während Sie den Transport der Wäsche in den Haushaltstrakt begleiten, werde ich draußen
auf Sie warten. Sie haben höchstens zwanzig Minuten, um sich nach Spuren für Sarahs Aufenthalt umzuschauen. Danach kommen
Sie zurück. Ganz gleich, ob Sie etwas herausfinden konnten oder nicht. Verstanden?«
Padrig fühlte sich unangenehm an alte Zeiten erinnert, als Morgenstern wenig später auf einem verwaisten Baugelände parkte, |397| das direkt neben der Straße lag, um den herannahenden Wäschetransporter zu stoppen. Als der Inspektor ausstieg und ihn bat
zu warten, bis er den Lieferwagen auf den Bauhof dirigiert hatte, schossen Padrig düstere Phantasien durch den Kopf. Im Geiste
sah er sich, wie er dem Inspektor half, den beiden Männern eine Pistole an den Schädel zu halten, und wie Morgenstern die
zwei fesselte. Bevor er sie zu knebeln gedachte, flößte er ihnen noch einen Medikamentencocktail ein, der sie für Stunden
ohnmächtig werden ließ.
Vor lauter Aufregung suchte Padrig im Handschuhfach des Wagens nach einem Kaugummi, um sich ein wenig zu beruhigen, doch er
fand lediglich Handfesseln aus Plastik, was seine Nervosität nur noch mehr steigerte.
Padrigs Gewissen meldete sich hartnäckig, ob das, was sie hier taten, nicht ebenso teuflisch war wie das, was er Leuten wie
Nero vorwarf. Doch dann kam alles ganz anders.
Die Männer stiegen freiwillig aus und beäugten Padrig mit unverhohlener Neugier, als er mit klopfendem Herzen hinzutrat, um
Morgenstern seine Unterstützung zukommen zu lassen. Gewalt war keine vonnöten. Morgenstern hatte einen anderen Weg gewählt.
Er zählte den beiden Männern mehrere hundert Euro in die Hand und versprach ihnen, so bald wie möglich zurückzukehren und
die im Wagen befindliche Wäsche tatsächlich auszuliefern. Padrig empfand spürbare Erleichterung, als die Männer ihm und Morgenstern
ihre blütenweißen Arbeitskittel überließen und es sich dann mit einer Thermoskanne in der offen stehenden Bauhütte gemütlich
machten.
Padrig war kaum fähig, seine Aufregung zu unterdrücken, als sie durch das stählerne Rolltor hinauf zum Castello fuhren. In
seinem schlechtsitzenden Kittel fühlte er sich wie in einer Zwangsjacke. Der Wachmann am Tor wollte die Lieferpapiere sehen,
und nachdem er routiniert und ohne viel Interesse die Gesichter der beiden Lieferanten betrachtet hatte, winkte er den |398| Wagen
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