Die Gegenpäpstin
eigentlich betete, und genützt hatte es auch noch nicht sonderlich viel. Ihr nächster Gedanke galt Padrig. Wenn
Nero ihn töten ließe, wäre es ganz allein ihre Schuld. Er hatte zum zweiten Mal sein Leben aufs Spiel gesetzt, nur um sie
zu retten, und wenn es schlecht lief, mußte er nun endgültig dafür bezahlen.
Vielleicht ist er schon tot,
bemerkte eine zaghafte Stimme in ihrem Innern. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie fühlte sich leer und mutlos. Und doch
durfte sie nicht aufgeben. Sie mußte einfach daran glauben, daß sich noch alles zum Besseren wendete.
»Mirjam von Taricheae«, flüsterte sie, »wenn es dich gibt, irgendwo, hilf mir ein einziges Mal und mach, daß Padrig am Leben
bleibt.«
Für einen Moment schlossen sich ihre Lider, und als sie die Augen wieder öffnete, fühlte sie sich von einer eigentümlichen
Wärme umfangen, die ihr von wo auch immer Mut zusprach.
Nach Stunden, in denen Padrig nur untätig dagelegen hatte, wurden die Türen zu seinem Gefängnis plötzlich aufgerissen. Drei
bewaffnete Männer stürmten in die Zelle und zwangen ihn aufzustehen. Einer der Schergen verlängerte die Kette zwischen seinen
Fußfesseln, so daß er halbwegs normal laufen konnte. Barfuß, in Hemd und Unterwäsche, befahl man ihm unter vorgehaltener Waffe,
die Zelle zu verlassen.
Padrig versuchte sich den Anschein von Ruhe zu geben, obwohl er alles andere als ruhig war, während man ihn eine enge, steinerne
Wendeltreppe hinabführte, die aller Wahrscheinlichkeit nach schon im Mittelalter existiert hatte. Überall hatte man brennende
Fackeln angebracht, und die Wände waren voller Ruß, als ob man geradewegs in den Schlund der Hölle hinabstieg. Die Tatsache,
daß es noch tiefer hinabging, verwunderte ihn. Was für eine |418| gigantische Anlage befand sich unter dem Castello? Seine Verwunderung steigerte sich zu äußerstem Unbehagen, als ihn die Männer
in eine unterirdische Halle geleiteten, über der auf lateinisch ein goldener Spruch angebracht war.
Schmach den Ungehorsamen, Schmerz den Abtrünnigen, Tod den Verrätern.
Das Licht unzähliger schwarzer Kerzen spiegelte sich in der schwarzglänzenden Wandverkleidung des Raumes. Den Boden zierte
ein goldenes Pentagramm, auf dem in einem Halbrund zwölf hohe Lehnstühle angeordnet waren. Auf zwölf Uhr stand ein rechteckiges
gemauertes Podest. Eine etwa zwei Meter hohe schwarze Säule aus Marmor erhob sich darauf, beidseitig mit verschiedenen Eisenhalterungen
versehen. Nicht weit entfernt davon stand ein weiterer Lehnstuhl, der im Gegensatz zu den eher spartanischen Modellen im Halbrund
mit mehreren goldenen Widderköpfen verziert war.
Einer seiner Begleiter stieß Padrig in Richtung Podest, wo er ihn mit Hilfe der anderen Bewacher an die Säule kettete.
Die Männer verließen den Raum, und Padrig blieb alleine zurück. Alles mutete an wie eine gespenstische Filmkulisse, und Padrig
fragte sich trotz seiner Angst, was wohl noch an verrückten Dingen geschehen konnte.
Bald darauf traten zwölf vermummte Kapuzenträger in die Halle. Sie trugen lange schwarze Roben mit goldenen Aufschlägen, und
ihre Gesichter waren nicht zu erkennen. Eine dreizehnte Gestalt, deren Gewandaufschläge in der Farbe eines Kardinalsrockes
leuchteten, folgte ihnen mit einigem Abstand. Schweigend ließen die zwölf sich auf den Stühlen über dem Pentagramm nieder.
Padrig musterte die Gestalten prüfend. Er war sicher, daß es sich nicht um seine Bewacher handelte. Einer der Kapuzenträger
ging gebeugt wie ein alter, buckliger Mann, und ein paar andere ließen erahnen, daß sie recht wohlgenährt waren.
Der Gang des Dreizehnten hingegen wirkte schwungvoll und dynamisch. Bei ihm konnte es sich um keinen anderen als um Angelo |419| Nero handeln. Er ging zu dem Stuhl direkt neben der Säule und setzte sich, nachdem er umständlich sein Gewand geordnet hatte.
»Brüder im Orden«, begann er mit dumpfer Stimme, »wir sind hier zusammengekommen, um ein Urteil über einen Fremden zu fällen,
der für den Tod von zwei ›Söhnen des Lichts‹ verantwortlich ist und uns darüber hinaus weiteren, beträchtlichen Schaden zugefügt
hat.«
Ein Mann in einem schwarzen Talar betrat unter einer devoten Verbeugung die Halle. Er trug keine Kapuze, so daß man sein Gesicht
erkennen konnte. Er war jenseits der Sechzig und hatte graues Haar. Seine Gesichtszüge wirkten verhärmt, und sein Gang war
schleppend. Den Blick stur zu Boden
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