Die Gegenpäpstin
war nun keine Hilfe mehr.
Padrig löschte die Fackeln und versuchte sich im fahlen Licht eines hoch am Himmel stehenden Halbmondes zu orientieren. Das
Castello lag tatsächlich hinter ihnen, war aber längst noch nicht weit genug entfernt, als daß sie sich in Sicherheit wähnen
konnten. Er faßte Sarah bei der Hand, und schon allein der feste Griff seiner warmen Finger wirkte ein wenig beruhigend auf
sie.
Sie liefen ein Stück zwischen den Sträuchern entlang. Sarah stieg der Duft von Lavendel in die Nase, obwohl die Sträucher
noch längst nicht erblüht waren. Plötzlich hörte sie ein Geräusch und wandte sich um. Von irgendwoher blendete sie der Schein
einer starken LED-Lampe. Blinzelnd versuchte sie den Standort der Lichtquelle auszumachen. Padrig drehte sich ebenfalls um,
doch nicht um zu schauen, sondern um sie zum Weitergehen zu bewegen. Dann fiel plötzlich ein Schuß. Sarah zuckte zusammen,
und bevor sie reagieren konnte, spürte sie, wie der Druck von Padrigs Fingern nachließ. Im Lichtkegel des Scheinwerfers mußte
sie mit ansehen, wie ihr Beschützer zu Boden fiel. Zuerst auf die Knie, die Augen vor Überraschung weit aufgerissen, dann
krachte ein zweiter Schuß, und Padrig kippte mit dem Gesicht nach vorne in einen niedrigen Lavendelstrauch.
Sarah keuchte vor Entsetzen und warf sich schützend über ihn. Sie konnte seinen Atem hören, röchelnd und ungleichmäßig. Seine
Haut war warm, doch im Nu brach auf seiner Stirn kalter Schweiß aus. Ihre Hände tasteten seinen Rumpf ab. Voller Panik spürte
sie die Feuchtigkeit an Schulter und Hüfte. Er war getroffen!
»Padrig!« rief sie verzweifelt, und dabei gruben sich ihre Finger in sein störrisches Haar, um seinen Kopf anzuheben. »So
sag |432| doch was!« Er gab ihr keine Antwort. Statt dessen war Neros verächtliche Stimme zu vernehmen. »Dachtest du wirklich, ihr könntet
auf diese Weise entkommen?«
Sarah spürte, wie ihr die Sinne schwanden. Dann, plötzlich, wurde es gleißend hell.
»Achtung! Hier spricht die Polizei. Bleiben Sie dort, wo Sie sind, und legen Sie ihre Waffen nieder! Das Gebäude ist umstellt!«
Nero stand da, in seinem schwarzen Umhang mit Kapuze, und rührte sich nicht, dabei warf er ohne sein Zutun einen langen Schatten,
wie ein leibhaftiger Bote des Todes. Er war umringt von seinen schwarzgekleideten Streitern, die wie er selbst zu Eis erstarrt
schienen. Von überall her rückten nun ebenso schwarze Gestalten heran, die allerdings nicht zur Sekte gehörten, sondern Overalls
der italienischen Polizei trugen und in ihren Panzerwesten und Schutzhelmen aussahen wie futuristische Krieger bei der Eroberung
eines feindlichen Planeten.
Handschellen klickten, während eine zweite Truppe, schwerbewaffnet und mit Hunden ausgestattet, das taghell angestrahlte Castello
erstürmte.
»Wir brauchen einen Arzt«, rief Sarah kläglich und schaute sich mit rasendem Herzen nach allen Seiten um. Augenblicklich war
sie umringt von Rettungssanitätern, Männern und Frauen, die sich um sie und Padrig kümmerten. Jemand legte ihr eine Wärmedecke
um die Schultern und setzte sich zu ihr. Es war Morgenstern. Sein Blick fiel auf Padrig. Zwei Sanitäter, die ernste Gesichter
machten, beugten sich über ihn. Der eine holte hektisch etwas aus einem silberfarbenen Metallkoffer.
»Er wird durchkommen«, sagte der Inspektor leise. »Ich weiß es. Er ist einer von der harten Sorte.«
Eine Kugel war oberhalb des Herzens und die andere unterhalb der Leber eingedrungen.
Der herbeigerufene Arzt konnte nicht mit Sicherheit sagen, wie schwerwiegend die Verletzungen tatsächlich waren.
|433| »Wahrscheinlich ein Neun-Millimeter-Geschoß«, sagte der Arzt und wirkte wie jemand, der sich mit Schußwunden auskannte. »Der
Austritt ist rechts neben dem Schulterblatt. Wenn die Kugel einen Knochen getroffen hätte, wäre die Austrittsverwundung wesentlich
größer. Vielleicht ist die Lunge verletzt. Der Bauchschuß macht mir indes mehr Sorgen. Er könnte starke innere Blutungen bekommen.«
Sarah hörte die Worte des Arztes gar nicht richtig. Das alles war mehr, als sie ertragen konnte. Sie hatten es fast aus eigener
Kraft ins Freie geschafft, und dann war Nero wieder dagewesen. Inspektor Morgenstern versuchte ihr Halt zu geben, indem er
seinen Arm fest um ihre Schulter gelegt hatte. Es dauerte quälende zwanzig Minuten, bis der Rettungshelikopter der italienischen
Luftrettungswacht auf einer Wiese direkt neben
Weitere Kostenlose Bücher