Die Gegenpäpstin
sie nach gut einer Stunde Fahrt auf den Parkplatz des Campus der Universität
Haifa einbog.
»Ich gehe noch mal ins Büro.« Sie stieg aus und nahm ihren Rucksack an sich. Es dämmerte, und im Tower brannte hier und da
noch Licht. »Ich muß nachdenken«, sagte sie. »Wir sehen uns morgen früh. Sobald ich alles beisammen habe, was Aaron mir aufgetragen
hat, will ich erneut ins Krankenhaus fahren und mit |94| ihm gemeinsam überlegen, was wir tun können, um eine Antwort zu finden.«
Der deutsche Archäologe nickte und verabschiedete sich. Sarah fuhr mit dem Aufzug zu ihrem Büro hinauf.
Rachel war noch im Vorzimmer des Professors beschäftigt. »Ich habe die ganze Zeit auf dich gewartet«, sagte sie vorwurfsvoll.
»Gibt es Neuigkeiten?«
»Aaron geht’s nicht gut«, berichtete Sarah mit kraftloser Stimme. »Er weiß nicht, was mit Bergman passiert ist. Es ging alles
viel zu schnell.«
»Ich habe Bergmans Frau verständigt«, erklärte Rachel. »Und die Polizei war auch schon hier. Außerdem hat die Universitätsleitung
angerufen. Frau Doktor Vidar will dich unbedingt sprechen.«
Wie üblich trug Frau Professor Ava Vidar, Vizepräsidentin der Universität Haifa, ein elegantes Kostüm. Niemand wäre angesichts
ihres jugendlichen Aussehens auf den Gedanken gekommen, daß sie die Sechzig bereits überschritten hatte.
»Wie geht es Doktor Messkin?« fragte sie besorgt, nachdem ihre Sekretärin die abhörsichere Tür geschlossen hatte.
»Den Umständen entsprechend«, antwortete Sarah, während sie sich setzte.
»Das Ganze ist eine ominöse Sache«, gestand die Vizepräsidentin leise. »Haben Sie eine Ahnung, was der Hintergrund dieses
Überfalls sein könnte?«
Sarah schaute ihre Vorgesetzte entgeistert an. »Warum denken Sie, ausgerechnet ich hätte eine Ahnung, warum jemand etwas so
Abscheuliches tut?«
»Die Polizei war bereits hier«, entgegnete Vidar ungerührt. »Man vermutet, daß Professor Bergman von Terroristen entführt
worden ist.«
»Gibt es bereits eine Lösegeldforderung oder Hinweise auf |95| einen geplanten Gefangenenaustausch?« Sarah sah die Professorin herausfordernd an. Sie glaubte ebensowenig wie Aaron, daß
es rachsüchtige Palästinenser sein sollten, die an zweitausend Jahre alten Leichen interessiert waren.
»Nein. Soweit ich weiß, gibt es keine Lösegeldforderung«, erwiderte Ava Vidar. Sie sah mit einem Mal müde aus. »Uns bleibt
nur zu hoffen, daß Yitzhak unversehrt zu uns und seiner Familie zurückkehrt.«
»Was ist, wenn er gar nicht zurückkehren will?«
»Wie meinen Sie das?« Ava Vidar faltete ihre sonnengebräunten Hände, die mit zwei unübersehbaren Brillantringen geschmückt
waren, wie zum Gebet, während ihre hellen Augen, umrahmt von schwarz geschminkten Wimpern, wie erstarrt wirkten.
»Bis auf den Professor und die IAA wußte niemand, welche Route der Konvoi nehmen würde. Der Ort für den Überfall war bestens
ausgesucht. Weit und breit kein Baum, kein Strauch und keine unbequemen Zeugen. Und praktischerweise wurde der andere Wagen
genau zur rechten Zeit aufgehalten. Seltsam, nicht wahr? Irgendwas ist da faul. Entweder steckt die IAA dahinter oder der
Professor selbst.«
»Wie können Sie so etwas Ungeheuerliches annehmen?« Professor Vidar richtete sich empört in ihrem Sessel auf, während ihr
ansonsten mädchenhafter Gesichtsausdruck eine reife Strenge gewann.
Sarah blieb davon unbeeindruckt. »Sie haben die Konfiszierung des Fundes durch die IAA zugelassen und damit all jene um die
Früchte ihrer Arbeit gebracht, die an der Grabung beteiligt waren. Einschließlich Professor Bergman. Was wäre, wenn er sich
den Fund auf unkonventionellem Wege sichern wollte?«
»Das vermag ich mir kaum vorzustellen«, erwiderte Ava Vidar verärgert. »Der Professor wollte nach seiner Rückkehr aus Jerusalem
einen Bericht anfertigen. Er vertrat die Auffassung, es sei Ihr Verschulden gewesen, daß eine unverzügliche Unterrichtung |96| der Universitätsleitung und der IAA über die Bedeutung des Fundes ausgeblieben ist.«
»Meine Schuld! Das hat er gesagt?« Sarah riß entsetzt die Augen auf. »Jetzt fehlt nur noch, Sie behaupten, ich hätte ihn deshalb
verschwinden lassen.«
»Ich halte diese ganze Diskussion für fruchtlos«, entschied die Vizepräsidentin. »Sie sollten nach Hause fahren und sich ausruhen.
Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt über die Geschichte sprechen. Vielleicht ist die Polizei bis dahin mit
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