Die Gegenpäpstin
Nero
Totenstille. Nackt und blutüberströmt lag sie auf dem Altar.
Wie im Rausch hatte er seinem angeketteten Opfer nach ritueller Vorschrift das Leben genommen. Ein schneller Stich ins Herz,
den schwangeren Leib aufgeschlitzt, vom Brustbein bis zur Scham, das selbstgezeugte Wesen darin getötet, noch bevor es das
Licht der Welt erblicken konnte.
Den Dolch aus schwarzem Obsidian hielt er noch immer in Händen, hoch erhoben, während das Blut heruntertropfte.
Sein gleichgültiger, leerer Blick fiel auf die weit geöffneten, starren Augen der jungen Frau, auf ihr langes blondes Haar.
Mit seiner sonoren Stimme murmelte er die magische Formel, um den Gottdämon Belial milde zu stimmen, und die zwölf anwesenden
Brüder in ihrem schwarzen Ornat, die Häupter allesamt unter einer Kapuze verborgen, fielen tonlos in die beschwörenden Worte
ein.
Seine fieberglänzenden Augen erhoben sich zu dem goldenen Widderkopf, während er den Dolch sinken ließ. Ein tiefes Gefühl
der Befriedigung durchströmte ihn in dem sicheren Glauben, dem einzig wahren Herrscher des Universums ein letztes Mal das
gegeben zu haben, wonach er seit mehr als zweitausend Jahren in unerbittlicher Regelmäßigkeit verlangte.
In unterwürfiger Dankbarkeit verneigte er sich vor dem Altar.
Die Zeit der neuen Weltordnung war angebrochen. Unbemerkt für alle Nichteingeweihten würde sie das Chaos einläuten und nur
noch die übriglassen, die Belial für ausersehen hielt.
|143| 15.
Februar 2007 – Und führe mich nicht in Versuchung …
Sarah begleitete Rolf bereits am nächsten Morgen zu seinem Arbeitsplatz. Dabei schien er nervöser zu sein als sie selbst.
Vor seinem Aufenthalt in Israel hatte Rolf als Privatdozent an einem archäologischen Forschungsprojekt der Universität Wuppertal
gearbeitet. Die Beziehungen zur Universität in Haifa konnten als gut bezeichnet werden, und die Tatsache, daß Rolf seinen
Aufenthalt vorzeitig beendet hatte, stieß bei seinen Kollegen auf Verwunderung. Man begrüßte ihn und Sarah freundlich, aber
reserviert. Die offensichtliche Brisanz der Angelegenheit führte dazu, daß Rolfs verantwortlicher Professor, Raimund Tiersche,
ihn und Sarah noch am Vormittag zu einem Gespräch bat.
Markert berichtete kurz und knapp, was in Israel vorgefallen war, ohne sich an die ihm von Doktor Vidar auferlegte Schweigepflicht
zu halten. Dann unterstützte Sarah ihn, indem sie die Bilder der Grabung und der aufgefundenen Pergamente auf ihrem Laptop
zeigte.
Professor Tiersche war beeindruckt. »Ich gehe davon aus, die wissenschaftlichen Belege sind einwandfrei«, sagte er, wie um
sich selbst zu versichern, daß man ihm soeben keinen Bären aufgebunden hatte.
Rolf nickte und warf Sarah einen fragenden Blick zu. »Wie Sie selbst sehen können, Herr Professor«, erklärte sie »besitze
ich leider nur digitale Kopien der Pergamente. Die Originale wurden wie die aufgefundenen Toten beim Überfall gestohlen.«
»Ihnen fehlen also die eigentlichen Belege für eine Veröffentlichung.« Tiersche musterte sie argwöhnisch.
»Falls Sie einen Originalbeleg benötigen«, antwortete Sarah rasch, wobei sie sich fühlte wie bei der Vorstellung ihrer ersten
Forschungsarbeit, »so kann ich Ihnen dieses Beweisstück zur |144| Verfügung stellen.« Sie zückte die kleine Styroporbox aus ihrem Lederrucksack. »Von den sterblichen Überresten der mumifizierten
Maria von Magdala«, erklärte sie weiter,. »ist mir das hier im Original geblieben.« Die Augen von Professor Tiersche ruhten
auf ihren schlanken Händen, während sie die Schachtel öffnete. »Mein verstorbener Kollege Doktor Messkin hat diesen Backenzahn
aus dem Unterkiefer der weiblichen Mumie entfernt. Er hat ihn mir kurz vor seinem Tod mit einem Bericht anvertraut. Nach der 14 C-Datierung ist dieser Zahn beinahe zweitausend Jahre alt.« Sie zögerte einen Moment, während sie wahrnahm, wie der Professor
den Zahn gebannt anstarrte. »Es gibt da noch eine Besonderheit, die von Interesse sein dürfte. Sie können das Ergebnis der
Untersuchung der Mitochondrien-DNA mit meiner Speichelprobe vergleichen. Sie werden eine hundertprozentige genetische Übereinstimmung
feststellen.« Sie lächelte und warf dem Professor einen selbstbewußten Blick zu. »Es war ein zufälliges Ergebnis, das bei
der üblichen Gegenprobe entdeckt wurde. Der andere Tote könnte tatsächlich Jaakov von Nazareth sein. Die Umstände seines Todes,
die mit historischen
Weitere Kostenlose Bücher