Die Gegenpäpstin
Gegebenheiten übereinstimmen, sowie der Inhalt der Pergamente und auch die Inschriften an den Gräbern
weisen darauf hin.«
Der Professor schwieg ein paar Atemzüge lang; auch Rolf sagte kein Wort.
»Was haben Sie vor?« fragte Tiersche dann und sah Sarah dabei beinahe so herausfordernd an, wie sie es von ihrem Vater gewohnt
war.
»Ich habe die Hoffnung auf eine Publikation des Fundes in der Fachpresse noch nicht aufgegeben«, erklärte sie frei heraus.
»Und da dieses Unterfangen unter den gegebenen Umständen in meiner Heimat kaum möglich ist, möchte ich die Angelegenheit von
Deutschland aus realisieren. Sie werden mir zustimmen, daß man eine solche Entdeckung nicht einfach unter den Teppich kehren
kann, auch wenn die dazugehörigen Artefakte zunächst als verschwunden |145| gelten. Außerdem würde ich mir wünschen, daß der Staat Israel unter dem daraus entstehenden öffentlichen Druck seine Bemühungen
verstärkt, den wahren Hintergrund der Entführung von Professor Bergman und des Todes von Doktor Messkin nicht nur zu ermitteln,
sondern darüber hinaus vor aller Welt offenzulegen.«
»Es könnte zu diplomatischen Verwicklungen mit ihrem Heimatland kommen, wenn wir Sie unterstützen und ohne Zustimmung der
entsprechenden Gremien eine Veröffentlichung vornehmen«, gab der Professor zu bedenken. »Außerdem verstoßen Sie mit der Ausfuhr
des Zahnes gegen geltende UNESCO-Übereinkommen. Sind Sie sich dessen bewußt?«
»Natürlich werde ich mit einer Veröffentlichung hierzulande in Israel auf Widerstände stoßen«, erwiderte Sarah mit einiger
Ironie in der Stimme. »Aber was würden Sie an meiner Stelle tun? Die IAA wollte den Fund zurückhalten. Bei seiner Überführung
nach Jerusalem wurde er angeblich von Palästinensern gestohlen. Seltsamerweise wurden weder eine Lösegeldforderung noch andere
Bedingungen gestellt. Vielleicht waren es auch internationale Grabräuber, die Doktor Messkin auf dem Gewissen haben und den
Professor in ihre Gewalt genommen haben. Aber solange die Regierung und meine Universität keine Stellung dazu nehmen, werden
wir es niemals herausfinden.« Sarah holte tief Luft und versicherte sich mit einem Seitenblick auf Rolf dessen Zustimmung.
»Sie haben gewiß recht«, gab der Professor mit sorgenvoller Miene zurück. »Aber ich habe im Moment nicht die geringste Ahnung,
wie wir Ihnen helfen könnten. Vielleicht sollten Sie noch einmal mit ihrer Institutsleitung in Haifa sprechen, ob man nicht
doch in Erwägung ziehen könnte, die Sache publik zu machen?«
»Keine Chance«, entgegnete Sarah bitter. »Ohne Genehmigung der zuständigen Regierungsstellen sind der Universitätsleitung
in Haifa die Hände gebunden.«
|146| Professor Tiersche sah sie nachdenklich an. »Ich würde Ihnen gerne helfen«, sagte er schließlich. »Aber ich bin ich nicht
befugt, Untersuchungen an einem illegal ausgeführten Zahn vorzunehmen, noch kann ich Ihnen die Plattform für eine Veröffentlichung
von Unterlagen bieten, die uns weder gehören noch im Original vorliegen. Ich bitte Sie um Verständnis. Wir können es uns weder
leisten, gegen internationale Gesetze zu verstoßen, noch uns ausgerechnet mit dem Staat Israel anzulegen. Das einzige, was
ich Ihnen anbieten kann, ist ein Arbeitsraum und das Equipment, auf eigene Faust Ihre Forschungen an den Pergamentkopien fortzusetzen.
Mehr kann ich leider nicht für Sie tun.«
»Es tut mir leid«, bemerkte Rolf düster, als sie wenig später im strömenden Regen zurück nach Hause fuhren. »Ich hatte so
sehr auf die Hilfe meiner Universität gehofft.«
»Es muß dir nicht leid tun«, erwiderte Sarah. »Du hast alles getan, was möglich war.« Für einen Moment schloß sie resigniert
die Augen. Dann begann plötzlich die Freisprechanlage von Rolfs Mobiltelefon das Ave Maria zu dudeln.
»Rolf?« Volkers Stimme klang gehetzt. »Du mußt sofort nach Hause kommen. Jemand hat eine Rauchgranate in unser Haus geworfen.
Es ist beinahe bis auf die Grundmauern niedergebrannt.«
Über dem Tannenwald lag Brandgeruch. Allein der naßkalten Witterung war es zu verdanken, daß das Feuer nicht auf die Bäume
übergegriffen hatte.
Sarah stockte der Atem, als sie zusammen mit Rolf aus dem Wagen ausstieg und das Ausmaß der Katastrophe zu sehen bekam. Wie
ein Dinosauriergerippe ragten die schwarz verkohlten Balken des alten Fachwerkhauses in den nebligen Januarhimmel empor. Was
das Feuer nicht vernichtet
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