Die Gegenpäpstin
gespeichert, die er für die Erfüllung seines Auftrages benötigte, sondern auch spezielle Verschlüsselungscodes für das
Versenden von E-Mails.
Padrig lief eine Treppe hinauf, über einen vollen Bahnsteig, |183| dann wieder eine Treppe hinunter. Den Dieb hatte er bald eingeholt, doch der Junge hatte die schwarze Tasche mittlerweile
geschickt an einen weiteren Komplizen weitergegeben, der in Richtung Domplatte stürmte. Padrig konnte nicht einmal einen Blick
auf den beeindruckenden Dom werfen; er verfolgte den zweiten Jungen in die Tiefgarage unter der Kathedrale hinein. In einem
hinteren Winkel, zwischen abgestellten Autos, hätte er den Jungen beinahe verloren, dann sah er, wie der mit seiner Tasche
einen Ausgang hinauflief. Hinter dem Bahnhof, in der Nähe des Rheins verschwand der Junge zwischen Häuserfronten. Hier waren
die Gassen plötzlich beinahe menschenleer. Padrig schlich in einen Hinterhof. Wollte der Junge sich hier verstecken? Hinter
einer baufälligen Tür meinte er Geräusche zu hören. Er öffnete die Tür und schaffte es im letzten Moment noch, zur Seite auszuweichen,
ansonsten hätte er ein Brett vor den Kopf bekommen. Wütend sprang er nach vorn und packte den Jungen an den Armen. Das Bürschchen
schrie und tobte und versuchte dann, Padrig in die Hand zu beißen.
Padrig schüttelte ihn kräftig durch. »He«, brüllte er ihn an. »Was soll das?«
Der Junge hielt einen Moment inne. Erst da bemerkte Padrig, wie schmutzig und mager er war. Er warf einen Blick auf den Laptop,
der allem Anschein nach unbeschädigt auf dem Boden stand, dann blickte er den Jungen ernst an. »Warum machst du so was?« fragte
er ihn auf deutsch.
»Ich hab Hunger«, sagte der Junge störrisch und ohne ihn anzuschauen. »Hab schon zwei Tage nichts mehr gegessen.«
»Einen Laptop kann man nicht essen«, bemerkte Padrig.
»Man kann ihn verkaufen«, erklärte der Junge altklug. »Für den krieg ich locker fünfzig Euro.«
»Zufällig ist das mein Laptop«, stellte Padrig ärgerlich fest.
»Reg dich nicht auf, Alter.« Der Junge hob den Kopf. Sein Blick wanderte über Padrigs Anzug bis hinunter zu den teuren Lederschuhen. |184| Plötzlich grinste der Junge, als wäre ihm ein Gedanke gekommen. »Ich könnte dir einen blasen, wenn du willst. Kostet dich
nur zwanzig Euro«, fügte er mit großen runden Augen hinzu. »Ich bin richtig gut. Na, jedenfalls besser als die meisten anderen.
Aber wir können auch was anderes machen. Nur dann wird’s teurer.«
Padrig erwiderte nichts, sondern betrachtete den Jungen eingehend. Er hatte fettiges, dunkelblondes Haar, das ihm bis zu den
Schultern reichte. Unzählige Sommersprossen zierten seine Stupsnase. Bekleidet war er mit einem schmutzigen T-Shirt und einer
Jacke, die für diese Jahreszeit viel zu dünn war. Plötzlich fühlte Padrig sich an seine Kindheit in Belfast erinnert. Als
er so alt wie dieser Junge gewesen war, hatte er auch die Straßen unsicher gemacht, ohne Geld und ohne jegliche Perspektive.
Sein Vater war tot, von britischen Soldaten erschossen, und seine Mutter war mit ihren sieben Kindern völlig überfordert und
meistens betrunken gewesen.
»Wo sind deine Eltern?« fragte er und faßte den Jungen an der Schulter. Dann ging er in die Hocke, um ihm auf Augenhöhe zu
begegnen.
»Tot. Meine Mutter hatte eine schlimme Krankheit, und mein Vater ist am Suff gestorben«, erwiderte der Junge scheinbar ungerührt.
»Wie ist dein Name?«
»Namen sind Schall und Rauch«, entgegnete der Junge frech.
Padrig zückte einen Fünfzig-Euro-Schein aus seiner Jackentasche und wedelte damit.
»Milan.«
»Na also, geht doch.« Padrig streckte dem verblüfften Jungen das Geld zu. »Kauf dir was zu essen und was zum Anziehen.«
Padrig bückte sich zu seinem Laptop hinab und kramte aus einer Seitentasche einen Zettel und einen Stift hervor. Dann ging
er in die Hocke, ohne seinen kleinen Kontrahenten aus den Augen zu verlieren, und schrieb etwas auf.
|185| »Das ist meine Mobiltelefon-Nummer«, erklärte er, während er Milan den Zettel hinhielt. »Mein Name ist Padrig. Ich bin noch
eine Weile in der Stadt. Wenn du Hilfe brauchst, rufst du mich, okay? Ich werde dann sehen, ob ich was für dich tun kann.
Alles klar?«
Der Junge nickte verlegen grinsend. »Ein heiliger Mann – ich fasse es nicht,« Ungläubig betrachtete er die teure Kleidung
seines Wohltäters.
»Kein heiliger Mann«, murmelte Padrig und wandte sich zum Gehen.
Weitere Kostenlose Bücher