Die Gegenpäpstin
übereingekommen, sich nicht mit Padrig anzulegen. Mit
quietschenden Reifen rasten sie die Straße hinunter. Padrig konnte noch einen Blick auf das Kennzeichen werfen, dann wandte
er sich den Frauen zu.
Regine von Brest, die Frau, die der Kardinal ihm auf dem Foto gezeigt hatte, lag noch immer am Boden. Die Schwarzhaarige,
die anscheinend das Ziel des Angriffs gewesen war, kniete neben ihr und hatte ihr die Hand unter den Kopf gelegt.
»Darf ich?« Padrig legte seine Daunenjacke ab und ging neben der Frau in die Hocke. Dann schob er der Beginenchefin die Jacke
zu einem Kissen gefaltet unter den Kopf.
Die schwarzhaarige Begleiterin schaute ihn im kalten Neonlicht einer Laterne an, und Padrig hätte schwören können, daß er |188| nie zuvor ausdrucksvollere Augen gesehen hatte. Sie leuchteten bernsteinfarben, und für einen Moment machte sein Herz einen
Sprung, eine eigentümlich Erfahrung, die ihm ebenso unwirklich erschien wie die Situation selbst.
|189| 22.
62 n. Chr. – Gefährliche Zeiten
Nicht lange nach einem gemeinsamen Gebet war Paulus eingeschlafen. Mirjam erhob sich mißgestimmt und ging mit einer Fackel
nach draußen. Jaakov folgte ihr, mit einer Decke aus Ziegenhaar unterm Arm, die er ihr über die Schultern legte. Im flackernden
Licht eines Feuerkorbes setzte er sich zu ihr auf den Mahlstein.
»Du willst Paulus also nach Jeruschalajim begleiten.« Mirjam sah Jaakov nicht an, sondern schaute in die unendliche Nacht,
an deren Firmament Myriaden von Sternen leuchteten.
»Ich kann ihn nicht allein gehen lassen«, sagte er leise. »Das letzte Mal hätten sie ihn beinahe umgebracht. Du hast recht.
Er hat ein loses Mundwerk, aber er ist ein überzeugender Redner, und er kann vorzüglich schreiben.«
»In Kreisen, die ihn und den wahren Ursprung seiner Thesen nicht kennen, mag er beeindruckend sein«, murmelte Mirjam vor sich
hin.
»Früher oder später muß ich ohnehin zurück nach Jeruschalajim. Unsere Schwestern und Brüder benötigen meine Unterstützung.
Jochannan macht seine Sache ganz gut. Du warst ihm unbestritten eine hervorragende Lehrerin, aber die Zeiten sind rauh, und
Hannas ben Hannas ist als Hohepriester ein ebensowenig berechenbarer Führer im Sanhedrin wie sein Vater.«
»Ich habe Angst«, flüsterte Mirjam. »Mehr als je zuvor.« Sie schaute zu Jaakov auf.
Er konnte ihren traurigen Blick kaum ertragen. Seine Kehle schnürte sich zu, und er mußte mehrmals schlucken, bis er zu einer
Antwort fähig war.
»Das mußt du nicht«, sagte er und glaubte selbst nicht an seine Worte.
|190| »Mir ist zu Ohren gekommen, daß Hannas II. sich zu den Söhnen des Lichts hingezogen fühlt«, sprach sie mehr zu sich selbst.
»Sie haben den Makkabäern nie verziehen, daß diese ihren Hohepriester von seinem Thron verstoßen haben. Er war ein Sohn Zadoks,
des ersten Hohepriesters, der sie alle mit seinen Wurzeln vereinte.«
»Nichts als Gerüchte.« Jaakov hob beschwichtigend die Hand. »Hannas ben Hannas ist Sadduzäer durch und durch. Und wenn es
nach der Herkunft ginge, müßtest du dir selbst mißtrauen. Soweit ich weiß, ist deine Mutter dem Stamm Zadoks entsprungen.«
»Was schert mich das!« entgegnete Mirjam barsch. »Jeder ist für sich selbst verantwortlich, gleichgültig, welches Blut durch
seine Adern fließt. Vielleicht war es mein Glück, daß die Nachfolger Zadoks keinen Wert auf Frauen legen und die meisten von
ihnen in Keuschheit leben. Du wirst dich erinnern, wie es war, als sie Lazarus befahlen, er möge sich bei lebendigem Leib
begraben lassen, um seinen Glauben und seine Loyalität mit seinen Vorfahren unter Beweis zu stellen. Jeschua hat ihn im letzten
Augenblick vor dem Tod gerettet, und er wurde nicht müde, die Machenschaften dieser menschenverachtenden Sekte anzuklagen.
Sie haben ihm nie vergeben, daß er ihre Gewalttätigkeit verurteilte und seine Lehre sie als Söhne der Finsternis entlarvte.
Sie sind wahnsinnig, Jaakov. Sie haben Jeschua als ihren ärgsten Feind beschimpft, der nur Unheil über die Israeliten bringen
würde. Und sie hassen Frauen. Wir sind in ihren Augen nicht mehr als ein Stück Fleisch, das es einzig mit dem Ziel zu bespringen
gilt, damit die Welt ihrer Söhne nicht ausstirbt und sie ihren blutigen Kampf so lange fortführen können, bis auch der letzte
Widerstand gebrochen und jeder Mensch sein eigenes Licht zu ihren Gunsten ausgehaucht hat.«
Sie legte ihren Kopf an Jaakovs Schulter, während er
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