Die geheime Braut
verschleppt und vielleicht sogar entehrt hat, vielleicht kein Feind? Wenn wir etwas erreichen wollen, Hoheit, dann brauchen wir Bewaffnete, die alle Häuser Wittenbergs durchkämmen. Gebt mir ein halbes Dutzend Männer Eurer Leibgarde, und ich will Euch zeigen, was man damit alles erreichen kann!«
»Er hat recht, Johann«, sagte die Kurprinzessin. »Teilt ihm die Männer zu, die er verlangt. Aber stellt ihm zudem Meister Cranach an die Seite, genauso wie es Euer Plan war. Das würde mich ruhiger machen.«
»Wozu?«, fragte Altenstein säuerlich.
»Meister Cranach wird Euch mäßigen und vor unüberlegten Handlungen bewahren. Keiner genießt größeres Ansehen in Wittenberg«, sagte Sibylle von Sachsen. »Alle hier sind stolz auf ihren berühmten Mitbürger. Ist der Ratsherr an Eurer Seite, so sind Schloss und Stadt nicht entzweit, sondern miteinander verbunden.« Ihre Augen wurden feucht. »Und zieht endlich los – und rettet Dilgin!«
*
Jetzt war die göttliche Jungfrau stets bei ihr. Seit Susanna dem Eber heil entkommen war und Jans warme Lippen auf ihrem Mund gespürt hatte, fühlte sie sich ihr inniger verbunden denn je.
Hatte nicht auch Maria die Süße und die Qualen der Liebe gekannt?
Und ebenso den Schmerz, wenn Verlust drohte?
Meine geheime Braut, so hatte er sie zärtlich genannt, und an diese Worte zu denken ließ das Blut schneller in Susannas Adern kreisen.
Doch Jan war in Gefahr, das sagte ihr jeder Atemzug.
Während sie im Luther-Haus ihren täglichen Pflichten nach ging, flogen ihre Gedanken immer wieder zu ihm.
Bertram von Altenstein würde nicht ruhen, bis seine Rache befriedigt war. Das hatte sie in seinen Augen gelesen. Was konnten sie gegen einen so mächtigen Feind ausrichten?
Während sie die Ereignisse im nächtlichen Stall für sich behalten und lediglich Bini gebeten hatte, einen neuen Hasen für Hansi zu nähen, damit er einschlafen konnte, nahm sie jetzt allen Mut zusammen und schüttete Katharina ihr Herz aus.
Die wurde bleich, als sie hörte, was geschehen war.
»Noch eine verschwundene Frau – und dieses Mal ausge rechnet die Hofdame der Kurprinzessin! Gott schickt uns wahrhaft schwere Prüfungen, um zu sehen, wie fest wir im Glauben sind. Sie muss unbedingt lebendig gefunden werden, sonst wird großes Unheil über die ganze Stadt kommen.«
»Ihr Verlobter hat Jan im Verdacht – natürlich zu Unrecht. Denn der weiß nichts davon, das hat er mir geschworen.«
»Jan?«, sagte Katharina. »Wer weiß, welchen Unsinn er wieder angestellt hat. Zu Bösem wäre er niemals fähig, das glaube ich auch, aber fahrlässigen Leichtsinn an den Tag legen, das beherrscht kaum einer so gut wie er.«
» Vielleicht könnte Euer Mann ja mit dem Edlen reden …«
»Und ihm was sagen? Dass Jan die Finger von keiner Frau lassen kann, auch wenn sie gebunden ist? Dass er bei jeder probieren muss, wie weit er gehen kann?« Die grünen Augen blickten plötzlich kühl. »Martin kann ich damit jetzt nicht behelligen. Mächtige Fürsten schließen sich im Reich zusammen, um die Reformation zu Fall zu bringen – sein Lebenswerk!«
Energisch schüttelte sie den Kopf.
»Und dann ist da noch unsere Sorge um Elisabeth. Sie wird immer leichter, anstatt an Gewicht zuzulegen, hast du das auch schon bemerkt? Muhme Lene hat es erst gestern wieder zu mir gesagt. Wie ein Vögelchen ist sie inzwischen, scheint nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen. Als ob sie schon bald ganz davonfliegen wollte …« Katharina wandte sich ab.
»Ich will ja alles Menschenmögliche versuchen, um Eurem Töchterchen beizustehen«, versprach Susanna. »Ich werde die Laute für sie schlagen, sie tagelang herumtragen – was Ihr nur wollt. Doch Jan braucht jetzt doch auch …«
»Ich habe dich gewarnt, Susanna.« Katharinas Stimme klang belegt. »Mehr als einmal. Verlass dich nicht auf Jan!«
»Aber Ihr mögt ihn doch auch. Dann könnt Ihr doch jetzt nicht zusehen, wie man einem Unschuldigen die Luft abschnürt!«
»Er hat sein Männerleben stets in vollen Zügen genossen. Du dagegen bist unerfahren. Nichts weißt du über Männer und Frauen.«
»Ich gehöre zu ihm. Das weiß ich. Und das ist mehr als genug.«
»Welch große Worte!« Katharina schüttete Mehl auf ein großes Brett. »Ob und vor allem wie man zu jemandem gehört, das zeigt erst der Alltag. Und den vergesst gerade ihr zwei für meinen Geschmack nur allzu gern. Träumer seid ihr – alle beide! Aber träumt ihr auch denselben Traum? Da habe ich durchaus
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