Die geheime Braut
sagen die Euch?«
»Dass ich wertlos bin. Eine billige Dienstmagd, nichts weiter. Alwin hat einen Fehler begangen. Niemals hätte er mich heiraten sollen – die Tochter eines Seifensieders. Das sagen mir seine ›Augen‹.« Sie hievte die Töpfe schwer atmend auf die Theke. »Habt Ihr wieder den Leiterwagen dabei? Damit würdet Ihr Euch sicherlich leichter tun.«
Er ließ seinen Blick auf ihr ruhen.
»Es macht mir nichts aus, zweimal zu gehen, ganz im Gegenteil. Ich bin gern in Eurer Nähe. Und noch viel lieber sehe ich Euch an.« Jan begann zu schmunzeln. »Vor allem aber wünsche ich mir, dass für Euch das Gleiche gilt. Ihr müsst Euch lieben lernen, sonst kann es auch kein anderer tun.«
»Was für seltsame Reden Ihr doch immer führt!« Sie fuhr sich über das Gesicht, als wollte sie etwas wegwischen. Der Geruch nach frischer Wäsche wurde intensiver. »Kein Wunder, dass die Leute über Euch reden.«
»Lasst sie reden! Mich stört das nicht. Ich will Euch malen, Margaretha.«
»Mich?« Sie wich zurück. »Was sagt Ihr da? Ihr müsst den Verstand verloren haben!«
»Und wenn schon? Bitte, sagt ja!«
»Aber das ist ganz und gar unmöglich! Selbst wenn ich wollte: Niemals würde Alwin seine Zustimmung geben.« Ihre Hände nestelten fahrig an den rotblonden Flechten. Die Haube, die sie in letzter Zeit getragen hatte, hatte sie offenbar abgelegt. Weil sie sich nicht länger als verheiratete Frau fühlte? »Er wird ja schon eifersüchtig, wenn ich mit einem Kunden nur ein paar freundliche Worte wechsle. Dabei gehört das doch zum Geschäft, das hat mir mein Vater schon beigebracht, als ich noch ein Kind war. Und Alwin lässt mich auch so oft allein!«
»Und wenn er gar nichts davon erführe?«, setzte Jan nach. »Ich kann schweigen. Ihr auch?«
»Soll ich mich vielleicht heimlich aus der Offizin schleichen?« Sie klang ehrlich empört. »Oder aus unserem Haus, nachts, sobald Alwin friedlich neben mir schnarcht? Wie stellt Ihr Euch das denn vor? Ich bin eine ehrbare Frau. So etwas könnte ich nie tun.«
»Nächste Woche begleitet Euer Mann Meister Cranach für vier Tage nach Meißen«, sagte Jan, nahm die ersten beiden Töpfe und machte ein paar Schritte zur Tür, bevor er sich wieder ihr zuwandte. »Vielleicht bleiben sie sogar noch länger, falls der Kurfürst neue Aufträge hat, womit durchaus zu rechnen ist. Eine so günstige Gelegenheit wird wohl so bald nicht wiederkommen. Wir sollten sie nutzen. Meint Ihr nicht auch?«
»Wie könnt Ihr es wagen …«
Er blieb stehen, schaute halb über die Schulter zu ihr zurück.
»Tut es nicht meinetwegen, sondern Euretwegen, Margaretha!«, sagte er bittend. »Um Euch an Eure Schönheit zu erinnern. Dann wird sie auch für andere Menschen wieder sichtbar, das verspreche ich Euch.«
Ihr Mund klappte auf, als wollte sie noch etwas hinzufügen, dann aber zuckte sie wortlos die Schultern und verschwand im Nebenraum.
*
Susanna wurde jedes Mal klamm zumute, sobald sie Luther begegnete, obwohl der Reformator sie kaum zu bemerken schien. Stets in Eile, als riefe ihn bereits die nächste dringliche Angelegenheit, lief er durch die Räume, ohne nach links und rechts zu schauen, bevor er für viele Stunden täglich in seiner Schreibstube im obersten Stockwerk verschwand. War die Tür geschlossen – und das war sie meistens –, bedeutete das, dass er nicht gestört werden wollte. Jeder im Haus hatte sich daran zu halten.
Zwei allerdings missachteten das Zeichen, Katharina, die immer wieder mal beherzt hineinging, das Fenster weit öffnete, um den Studienmuff zu vertreiben, eine Erfrischung zu bringen und ihn vor allem daran zu erinnern, dass er inzwischen auch Frau und Kinder hatte. Und natürlich Hansi, der mit seinen dicken Beinchen neben ihr die Treppe nach oben kletterte und sich freudestrahlend auf den Vater stürzte.
Hatte Luther ihn auf dem Arm, wurden seine Gesichtszüge weich, und man konnte sehen, wie sehr er an dem Kleinen hing. Doch schon bald wurde seine Miene wieder ernst, und dann kehrte in die schmalen Augen unter den starken Jochbögen jener skeptische Blick zurück, der Susanna durch und durch ging.
Immer wieder kam die Angst mit dunklen Schwingen, hielt sie gepackt in eisernem Griff. Manchmal war diese Angst so mächtig, dass Susanna die Worte regelrecht in der Kehle stecken blieben.
Würde sie nach dem Verlust ihrer Singstimme vielleicht ganz und gar stumm werden?
Sie tat alles, was in ihrer Macht stand, um gegen diese Panik anzukämpfen. In
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