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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Rosenkranz im Maul. Als Susanna ihn verfolgte, ließ er seine Beute mitten auf den gestampften Boden fallen und verkroch sich in einem Verschlag. Erleichtert hob sie den Rosenkranz auf und steckte ihn in die Rocktasche. Sie würde ihn anschließend mit klarem Wasser abspülen. Ob er neu geweiht werden musste? Dann bekäme sie hier in Wittenberg ernsthafte Probleme. Aber die Gottesmutter hatte ihr ja den kleinen Hund geschickt und nahm dessen spielerischen Übermut gewiss nicht übel.
    Sie kehrte vor die Zelle zurück.
    »Wieso bist du überhaupt hier eingesperrt?«, begann sie erneut das Gespräch mit Marlein.
    »Damit ich in Sicherheit bin. Der Patron wollte mich …« Plötzlich war es still.
    »Der Patron aus dem Haus am Elstertor?«, hakte Susanna atemlos nach. »Trägt er eine dunkle Maske?«
    »Ja, das tut er.«
    »Und sein Geruch? Ich meine …«
    »Er stinkt. Wie der Leibhaftige höchstpersönlich. Meinst du das?«, kam es von Marlein.
    Susannas Herz begann zu jagen. »Was hat er dir getan? Bitte sag es mir! Hat er dich gewürgt?«
    »Wenn du mir jetzt nicht endlich hilfst, erfährst du kein ein ziges Wort mehr.«
    »Aber du musst reden!«, stieß Susanna hervor. »Der Patron hat nämlich auch mir sehr wehgetan. Sie sind ihm schon auf der Spur. Doch nur, wenn alle Fäden zusammenlaufen, werden sie ihn auch kriegen.«
    »Ich muss gar nichts – nur vorsichtig sein. Das hat Griet mir eingeschärft. Wie heißt du überhaupt?«
    »Susanna.«
    »Susanna? Noch nie gehört. Und jetzt schließ auf – oder lass mich in Frieden!«
    Hinter der Tür war es still geworden.
    So viel Susanna auch pochte und rief, Marlein blieb hartnäckig stumm.
    Mit schwerem Herzen trat Susanna den Rückweg an.
    Tölpel schien sofort zu begreifen, dass es wieder hinunterging, denn er tauchte plötzlich aus seinem Versteck auf und rannte treppab voraus.
    Susanna folgte ihm langsam. Ihre rechte Hand fuhr in die Rocktasche und umklammerte die Holzperlen.
    Hilf mir, heiligste Jungfrau!, betete sie stumm. Wenn du nur Jan am Leben lässt – dann bin ich zu allem bereit.
    *
    Sibylle von Sachsen spielte die Tapfere, obwohl auf ihrer ho hen Stirn kleine Schweißperlen glitzerten und ihr Seidenfächer unablässig in Bewegung war. Angestrengt starrte sie auf die Zeichnungen, die Cranach vor ihr und dem Kurprinzen auf einem Tisch ausgebreitet hatte.
    In dem kleinen Gemach mit den bunten Wandteppichen schien man die Luft schneiden zu können, so stickig war es, und selbst der üppige Rosenstrauß, der in einer silbernen Vase prangte, vermochte mit seinem betörenden Duft wenig auszurichten. Die Atmosphäre im Schloss hatte sich völlig verändert. Überall waren Bewaffnete postiert, die die Eingänge kontrollierten und auch Cranach einer gründlichen Untersuchung unterzogen hatten, bevor sie ihn einließen.
    »Es ist doch zu viel für Euch«, sagte Johann Friedrich besorgt zu seiner Frau. »Ich hätte mich niemals darauf einlassen dürfen. In Eurem Zustand, mein Herz, solltet Ihr Euch nicht derart überanstrengen. Trinkt ein wenig von dem verdünnten Most, das wird Euch stärken! Oder noch besser, ruht Euch aus!«
    »Wie könnte ich auf einem Ruhebett liegen oder mich am Stickrahmen beschäftigen, wenn es um Menschenleben geht?«, widersprach sie aufgebracht. »Meine Dilgin ist tot – ebenso wie jene bedauernswerte andere junge Frau. Was ich dazu beitragen kann, um den Mörder dingfest zu machen, das werde ich auch tun!«
    »Nun, es ist tatsächlich nicht jedermanns Sache, sich Bild nisse von Toten anzusehen«, sagte Cranach diplomatisch. »Da hat Euer Gemahl durchaus recht …«
    »Hat Euer Geselle das gezeichnet?«, fiel sie ihm ins Wort. »Ja, es muss von Seman sein, denn ich erkenne seinen mutigen, sicheren Strich.« Sie fächelte stärker. »Wer sind jene Männer, die rings um die Bahre stehen?«
    »Die Zeichnungen stammen von ihm«, bestätigte Cranach. »Seman hat sie auf mein Geheiß hin im Anatomiesaal angefertigt, und die Männer, die Ihr darauf seht, sind ausnahmslos Professoren der Leucorea, die bei der Untersuchung der Lei chen als Zeugen anwesend waren. Ich hatte so sehr gehofft, die Zeichnungen der Toten könnten uns irgendwelche Aufschlüsse geben. Doch sooft ich sie bislang auch studiert habe, ich entdecke darauf nichts, das uns weiterführen könnte.«
    »Sie sind beide jung und schön – und tot«, sagte Sibylle von Sachsen nachdenklich. »Herausgerissen aus der Blüte ihrer Jugend. Wer auch immer es war, er muss sie zutiefst

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