Die geheime Braut
Geliebten brachte sie beinahe um.
Und nichts von Cranach – kein Wort, keine Nachricht, auf die sie so sehnlich wartete.
Hatte er das Bild mit ihr als dritter Grazie inzwischen fertig gemalt? Hatte er beim Kurprinzen vorgesprochen und Jan end lich befreit?
»Wenn sie das wirklich wollte, hätte sie es längst getan.« Binis helle Stimme drang in Susannas Grübeleien. »Katharina braucht uns. Und Hansi hat uns in sein kleines Herz geschlossen. Gib ihr ein wenig Zeit! Wenn sie erst einmal weiß, dass sie schwanger ist, wird vieles anders werden. Das Ungeborene kann die kleine Elisabeth niemals ersetzen, aber es wird Katharinas Schmerz doch lindern.«
Nach diesen Worten allerdings war Bini verschwunden. Wohin, das wusste Susanna ebenso wenig wie den Grund, war um die Gefährtin nicht länger die Kammer mit ihr teilte, sondern neuerdings im Pferdestall schlief. Es musste damit zu tun haben, dass sie den Mann mit der Maske erwähnt hatte. Doch was daran konnte Bini derart entsetzt oder getroffen haben, dass sie sich seitdem vor ihr mehr denn je verschloss?
Da es kein Mahl für eine große Tafel zu richten gab, alles im Haus halbwegs aufgeräumt war und ausnahmsweise nicht einmal der Flickkorb überquoll, kehrte Susanna in ihre Kammer zurück, Tölpel noch immer an den Fersen.
Er schien in Spiellaune, schnappte nach ihrem Rock, knabberte an ihrer Hand, bis sie ihn halb lachend, halb ärgerlich in eine Ecke verscheuchte, wo er hechelnd liegen blieb. Doch als sie ihren Rosenkranz herauszog, um mit der Heiligen Jung frau zu sprechen, war er augenblicklich wieder zur Stelle.
Die lange Kette mit den abgegriffenen Perlen und dem Holz kreuz schien sein besonderes Interesse zu erregen. Bevor Susanna reagieren konnte, hatte er den Rosenkranz bereits im Maul und rannte mit fliegenden Ohren aus der Kammer.
»Tölpel!«, schrie sie und setzte ihm hinterher. »Bleib sofort stehen! Das ist nichts für dich. Das gehört mir und ist heilig …«
Natürlich dachte der Hund nicht daran, auf sie zu hören, sondern wetzte mit seinen kurzen Läufen laut bellend die Treppe nach oben.
Wo steckte er auf einmal? Keuchend blieb Susanna stehen.
Hier war sie noch nie gewesen, weil Katharina es nicht gerne sah, dass ihre Mägde den Studenten und vor allem deren Strohsäcken zu nahe kamen. Als ob einer dieser unreifen Kerle von Interesse für sie gewesen wäre! Es reichte schon, wenn Susanna sie nachts betrunken nach Hause torkeln hörte oder bei Tisch bedienen musste und dabei Brocken der manch mal reichlich gespreizten Unterhaltung zu hören bekam.
Heute jedoch waren die ehemaligen Mönchszellen leer, in denen die Studenten hausten, und einige der Türen standen angelehnt. Ob Tölpel hier mit seiner verbotenen Beute unter ein paar Lumpen gekrochen war? Ein fader Geruch nach altem Schweiß, Bierdunst und Tinte lag in der Luft, der Susanna zum Husten reizte.
»Tölpel!«, rief sie immer wieder, unterbrochen von trockenen Hustenschüben. »Tölpel – so komm endlich her!«
Sie erstarrte, als sie plötzlich lautes Klopfen vernahm.
»Hier bin ich. Hier! Habt ihr mich denn alle vergessen?«
Eine Frauenstimme!
Susanna lief zu der Tür, durch die die Stimme drang, und drückte auf die Klinke. Doch die Tür war verschlossen.
»Zugesperrt«, sagte sie verblüfft. »Und ich sehe nirgendwo einen Schlüssel.«
»Jetzt lässt mich die Alte auch noch im Stich.« Die Stimme kippte ins Weinerliche. »Dabei hat sie mich neulich erst ein Weilchen herausgelassen und mir Hoffnung gemacht, das würde jetzt so bleiben. Was habe ich ihnen nur getan? Die Frau mag mich ohnehin nicht und der Mann noch weni ger, auch wenn sie beide nach außen hin freundlich tun. Mein Eimer fängt schon an zu stinken. Und das bisschen Mus, das die Alte mir vor Stunden gebracht hat, ist längst durch meinen Magen gerutscht. Mir ist so langweilig. Und ich habe es satt, hier ständig eingesperrt zu sein. Da hätte ich ja gleich im Hurenhaus bei der schwarzen Griet bleiben können!«
Susanna legte ihr Ohr an die Tür.
»Du bist aus dem Haus am Elstertor?«, fragte sie. »Wie heißt du?«
»Marlein«, ertönte es jämmerlich. »Und wer bist du?«
Marlein – das war die blutjunge Hübschlerin, die Jan so frech mitten auf dem Markt geküsst hatte.
»Wir haben uns schon einmal bei der Wachszieherin gesehen, erinnerst du dich? Ich bin hier Magd …«
»Dann schließ doch auf!«, rief Marlein.
Tölpel lugte neugierig um die Ecke, eines seiner langen Ohren umgeklappt, den
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