Die geheime Braut
auch nicht so unverschämt sein.«
»Da wäre dann allerdings noch meine dritte Forderung.« Jan hatte sich nicht gerührt, nur seine Augen strahlten.
»Wenn du es jetzt übertreibst, bekommst du gar nichts«, knurrte der Meister. »Mach mich nicht wütend! Du weißt, was dann passieren kann. Und falls du vorhast, dich vor den anderen damit zu brüsten …«
»Die Sache mit den Grazien bleibt unter uns, darauf habt Ihr mein Wort. Das andere aber – und das ist meine dritte Forderung – sollen und müssen sie erfahren. Das gilt übrigens auch für die Meisterin, die Ihr gleich rufen werdet. Wir gehen gemeinsam hinüber und verkünden es.« Jans Stimme war ruhig. »Und zwar jetzt gleich.«
Cranachs Blick, der ihn bei diesen Worten traf, würde er sein Leben lang nicht vergessen. Ärger lag darin, Überraschung, aber auch widerwillige Anerkennung, die Jan dazu brachte, sich so gut zu fühlen wie noch nie.
Jetzt erst ist mein Gesellenstück vollendet, dachte er, während er zur Tür ging und sie für Cranach öffnete. Und der Weg zur Meisterschaft liegt endlich offen und frei vor mir.
*
Im ganzen Haus duftete es nach Gebratenem, doch die Gäste ließen noch immer auf sich warten. Luther hatte versprochen, s eine Kollegen gleich nach den Vorlesungen ins Schwarze Kloster zu bringen, damit sie sich an seiner Tafel stärken konnten.
»Wer ihn so gut kennt wie ich, weiß, welch frommer Wunsch das ist«, sagte Katharina seufzend, während sie die kleine Elisabeth an der anderen Brust anlegte. »Sie werden anfangen zu diskutieren, dabei in Streit geraten wie nahezu jedes Mal und sich anschließend festreden. Inzwischen verdirbt uns hier die ganze Kocherei, für die wir stundenlang geschuftet haben. Wozu haben wir eigentlich die Studenten für heute aus dem Haus gejagt? Nur damit uns ihre Herren Lehrer ungestraft auf die Folter spannen können.«
Was durchaus der Wahrheit entsprach.
Schon gestern hatten sie die Fische in Salz eingelegt, die Hühner gerupft, Linsen und Bohnen verlesen und anschließend eingeweicht. Früh am Morgen war die Hausherrin dann durch den Garten gegangen, hatte Wildkräuter gezupft, die die Speisen verfeinern sollten, Sauerampfer, Löwenzahn, Bärlauch, alles »grüne Medizin«, wie sie mit vielsagendem Lächeln sagte.
Danach werkelten alle gemeinsam in der Küche, bis das Brot gebacken, die Fische gar und die Hühner fertig gebraten waren. Sogar Muhme Lene hatte tüchtig mit angepackt, trotz ihres krummen Rückens Teig geknetet, Kräuter geschnitten und die Mandelküchlein in Honig getränkt.
Susanna konnte den Blick kaum von dem friedlichen Bild wenden. Die Kleine saugte und gurgelte, während ihre Händchen mit dem neuen Seidenband spielten, das das mütterliche Mieder schmückte. Zu Ehren des angekündigten Besuchs hatte die Lutherin ihr gewohntes Gewand gegen ein feineres vertauscht, dessen helles Blau ihre Augen zum Leuchten brachte.
»Ich fürchte, sie ist gar nicht richtig hungrig«, sagte Katharina und schloss ihr Kleid. »Oder meine Milch droht allmählich zu versiegen. Was heißt, dass sie schon bald wieder wie am Spieß zu schreien beginnt. So schmächtig unsere Kleine sein mag, so stark ist ihr Wille. Das muss sie vom Vater haben.« Sie hielt sie Susanna entgegen. »Willst du sie heute ausnahms weise aufstoßen lassen? Sonst verdirbt mir das Vergorene noch mein bestes Gewand.«
Die Kleine war warm und weich in Susannas Armen. Inzwischen hatte sie Elisabeth schon einige Male auf den Armen gewiegt, doch noch immer bedeutete der erste Augenblick eine kleine Überwindung. Dann freilich hätte sie sie am liebsten nie mehr losgelassen. Das Gefühl, einem winzigen lebendigen Wesen so nah zu sein, war schier überwältigend. Kein Vergleich mit jenen holzgeschnitzten Fatschenkindern, die manche Nonnen zur Christzeit an sich drückten, als wären sie das Jesuskind.
Elisabeth spuckte einen kräftigen Schwall über Susannas Busen, und Katharina lachte.
»Sieht ganz so aus, als müsste Binea heute allein servieren, meinst du nicht?«
»Mein anderes Kleid ist leider auch nicht mehr vorzeigbar«, räumte Susanna ein. »Jetzt können wir uns vor der Wäsche nicht länger drücken.«
»Dann bleibst du eben bei den Kindern«, sagte Katharina. »Und wenn wir dich trotzdem brauchen sollten, bindest du dir ein Tuch um.«
Nichts hätte Susanna im Augenblick lieber sein können.
Sie zog sich mit Hansi und Elisabeth in die Stube zurück, die neben dem elterlichen Schlafzimmer lag. Um im Winter
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