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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Wärme aus dem Erdgeschoss zu erhalten, waren im Geviert in den Holzboden Spalten eingeschnitten. Während Susanna die Kleine in die Wiege legte und Hansi mit freundlichen Worten dazu bewegte, sich doch ebenfalls hinzulegen, hörte sie, wie die Gäste eintrafen.
    Männerstimmen, hohe und tiefe, immer wieder unterbrochen von Luthers kräftigem Bariton, der alle anderen überdröhnte. Bislang hatte sie ihn noch nicht predigen hören, aber Muhme Lene wurde nicht müde, ihr zu versichern, welch ein Erlebnis das sei.
    Nach einer Weile verrieten die gleichmäßigen Atemzü ge, dass die Kinder schliefen. Jetzt tat es Susanna plötzlich doch leid, nach oben verbannt zu sein. Sie griff nach dem Wasserkrug, feuchtete einen Lappen an und begann an den Flecken herumzureiben, aber diese wurden nur noch schlimmer.
    Irgendwann gab sie resigniert auf.
    Die Stimmen wurden lauter, offenbar dem Bier geschuldet, das zum Essen gereicht wurde.
    Susanna schob sich näher an die Spalten. Vielleicht gab es ja etwas Spannendes zu erfahren.
    »Habt Ihr Euch inzwischen gut eingelebt bei uns, werter Pistor?«, hörte sie Katharina fragen.
    »Ich schätze die Stadt und ihre Bürger. Nirgendwo sonst würde ich lieber leben«, lautete die Antwort.
    »Na, das ist vielleicht doch ein wenig übertrieben, Collega!«, widersprach ein anderer. »Ich habe Jahre gebraucht, um hier heimisch zu werden. Und noch heute überkommt mich bisweilen der Zwang, in andere, erschlossenere Gefilde aufzubrechen.«
    »Weil du ein ständig Unzufriedener bist und bleibst, mein geliebter Schwarzerd«, polterte Luther dazwischen. »Jemand, der sich nur schwer entscheiden kann – in allen Dingen. Sogar zu deiner Hochzeit musste man dich regelrecht drängen. Sonst gäbe es bis heute wohl keine Frau Melanchthon.«
    »Aber ausgerechnet Leipzig aufzugeben, stelle ich mir nicht einfach vor«, redete der Angesprochene unbeirrt weiter. »Eine Universität mit solch bedeutender Geschichte …«
    Unwillkürlich fuhr Susanna zurück.
    Einer der Männer, die hier unten tafelten, kam offenbar aus Leipzig. Allein das Wort brachte sie schon in Bedrängnis.
    Würde das denn nie mehr aufhören?
    »Wittenberg ist die Zukunft, und die wird zweifelsohne groß sein«, sagte der, den sie Pistor genannt hatten. »In wenigen Jahren wird hier die Elite Europas versammelt sein. Schon heute drängen sich die Herren Studenten zu den Vorlesungen …«
    »… und fallen des Abends über unsere unschuldigen Mädchen her«, redete ein anderer dazwischen. »Sogar zu Messerstechereien ist es schon gekommen. Meine Tochter lasse ich jedenfalls nicht mehr aus den Augen.«
    »Ich fürchte allerdings, das wird Euch auf Dauer nicht gelingen, Collega Kranz«, sagte Luther. »Sorgt lieber dafür, dass Eure Helene beizeiten einen ordentlichen Mann findet. In der Ehe sind die beiden Geschlechter nun mal am besten aufgehoben.«
    Katharina lachte zustimmend.
    »Das sagt einer, der jahrelang als Mönch gelebt hat«, be merkte sie, »und ebenfalls recht zögerlich war, als es ans Heiraten gehen sollte. Wäre unser Freund Cranach nicht gewesen, wer weiß, ob wir hier so gemütlich beisammen säßen!«
    »Das neue Hurenhaus jedenfalls ist keine Lösung für die Stadt«, meinte nun Melanchthon. »Obwohl es ausnehmend gut besucht sein soll, wie man sagt.«
    »Ich mag nichts weiter davon hören«, fuhr Luther auf. »Was mich betrifft, so gehören diese Hübschlerinnen aus der Stadt getrieben – alle miteinander! Was dort an Schändlichem geschieht, hat nichts zu tun mit dem, wozu Gott den Menschen geschaffen hat – der Liebe zwischen Mann und Frau.«
    Ein lautes Poltern ertönte.
    »Jessas, Martin, jetzt hast du beim wilden Herumgestikulieren den ganzen Bratentopf vom Tisch gestoßen!«, schrie Katharina. »Bini, Susanna, so kommt und helft mir doch!«
    Susanna griff nach einem Tuch und verhüllte, so gut es ging, die Flecken auf ihrem Kleid. Dann stürzte sie die Treppe hinunter, wo Bini schon auf den Knien lag, die Hühnerbeine vom Boden auflas und sie kurzerhand zurück in den Topf legte.
    »Ich könnte sie abwaschen«, murmelte sie. »Ob sie dann freilich noch munden …«
    »Ach was, wer wird sich an ein bisschen Dreck schon stören!«
    Ein mittelgroßer Mann packte seine Gabel und stieß mitten hinein. Doch der gierige Bissen, den er sich geangelt hatte, schien ihm nicht recht zu bekommen, denn er spuckte ihn sofort wieder aus.
    »Habt Ihr etwas Unrechtes erwischt, Professor Pistor?«, rief Katharina erschrocken.

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