Die geheime Braut
keiner ihn richtig beachten wollte, und ließ sich ohne Widerworte ins Bett bringen.
In Katharinas Augen aber trat ein Glanz, der Susanna ganz verlegen machte.
»Wie gut du das kannst«, sagte sie. »Warum hast du uns das bislang vorenthalten?« Ihre Brauen zogen sich fragend zusammen. »Seltsam, ich hab das Instrument gar nicht bei dir gesehen, als ihr zu uns gekommen seid.«
»Konntet Ihr auch nicht«, sagte Bini schnell. »Weil ich es nämlich in meinem Bündel auf dem Rücken hatte.«
»Du kannst sie auch schlagen?«, fragte Katharina über rascht.
»Nur ein paar Akkorde. Aber Susanna hat versprochen, mich bald weiter darin zu unterweisen.«
An diesen Ausflüchten kaute Susanna noch immer.
»Du hast sie frech angelogen«, sagte sie vorwurfsvoll. »Direkt ins Gesicht. Wenn Katharina das herausbekommt …«
»Wird sie nicht. Denn sie hat jetzt anderes zu tun. Und in gewisser Weise stimmt es ja sogar«, verteidigte sich Bini. »Die Laute stammt von mir – und sie hat der Kleinen geholfen. Basta!«
»Jetzt werden sie verlangen, dass ich immer wieder darauf spiele«, sagte Susanna und warf dem Instrument einen unwilligen Blick zu. »Dabei wollte ich doch …«
»Dein Gesicht verändert sich, wenn du sie in Händen hältst«, unterbrach Bini sie. »Weißt du das eigentlich? Dann siehst du weich und fröhlich aus. Fast wie früher in Sonnefeld, wenn wir zusammen mit den anderen Schwestern gesungen und musiziert haben.«
Stille breitete sich in der Kammer aus.
Keine sah die andere an. Jede hing ihren eigenen Erinne rungen nach, Erinnerungen an ein Leben, das sie geliebt hatten und das unwiederbringlich vorbei war.
»Wir werden es auch außerhalb der Klostermauern schaffen«, sagte Bini plötzlich und berührte aufmunternd Susannas Schulter. »Nonnen sind wir zwar keine mehr, aber wir bleiben trotzdem fromme Frauen. Komm schon – lächle endlich wieder! Nur ein kleines bisschen.«
Susanna blieb ernst.
»Und jetzt sollen wir die Cranachin auch noch nach Hause begleiten«, sagte sie. »Mitten in der Nacht! Du weißt, was das für mich bedeutet.«
»Auf dem Hinweg sind wir ja zu dritt.« Bini strengte sich an, tröstend zu klingen. »Und zurück immerhin noch zu zweit. Ich schreie wie am Spieß, falls uns jemand zu nahe treten will. Und du nimmst für alle Fälle schon mal ein dickes Holzscheit mit.«
Sie gingen trotzdem schnell, auch Barbara Cranach, die sie in ihre Mitte genommen hatten. Die Nacht war kühl und verhangen; nur ab und zu blitzte der Sichelmond zwischen schnell ziehenden Wolken hervor.
»Ihr seid also ehemalige Nonnen wie Katharina?«, fragte die Cranachin auf einmal. »Eine ganze Reihe von ihnen hat früher einmal bei uns im Haus gelebt, bis sie wussten, wohin sie gehörten.«
»Wir kommen aus dem Kloster Sonnefeld«, sagte Susanna. »Dort haben wir Gott gedient, bis sie es zugesperrt haben.«
»Dann könnt ihr Katharina sicherlich besser verstehen als die meisten Menschen«, fuhr Barbara Cranach fort. »Es ist so vieles, was an ihr hängt: das große Anwesen, der Garten, die alte Tante, all die Studenten, die sie beköstigen muss, um an Geld zu kommen, ein genialer Mann, der allerdings immer nur schreiben will, die kleinen Kinder, die ständig krank werden … Ihr könnt mir glauben, ich weiß genau, wovon ich rede.« Erschöpft hielt sie inne. »Geht ihr zur Hand, wo immer ihr könnt! Meine Freundin, die euch ein Dach über dem Kopf gewährt hat, verdient es wie keine andere auf der Welt. Wollt ihr beide mir das hier und heute versprechen?«
Inzwischen hatten sie die menschenleere Collegiengasse hinter sich gebracht und den Marktplatz erreicht.
Die dunklen Wolken rissen wieder auf. Für ein paar Augenblicke prangten die hohen steinernen Fassaden im blassen Mondlicht.
»Gerne – aber nichts anderes machen wir von früh bis spät«, versicherte Bini eifrig. »Wir kümmern uns um die Tiere, misten aus, putzen, waschen, kochen – und was sonst noch zu tun sein mag. Die beiden Kleinen lieben wir von ganzem Herzen.« Sie stieß Susanna aufmunternd in die Seite. »Lass doch nicht nur mich reden! Sag auch etwas!«
Aber die Freundin stand nur stocksteif da und starrte stumm auf den Mann, der aus dem Cranach-Hof kam und mit einem Bündel unterm Arm geradewegs auf die Apotheke zusteuerte.
*
Sie schreckte aus dem Schlaf hoch.
Waren da nicht Schritte auf der Treppe?
Griet fühlte sich wie benommen, ihr Gaumen war pelzig, und im Mund hatte sie einen üblen Geschmack, als habe sie etwas
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