Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
Vom Netzwerk:
erzählen.«
    Als sich die Mädchen verabschiedet hatten, sah Nostradamus, wie sich Anael in der Ecke reckte und streckte, dann die Arme verschränkte und die Nase rümpfte. »Die Geschichte verändern wollen, ha! Du bringst es niemals übers Herz, jemanden auszulöschen. Du bringst es ja nicht einmal übers Herz, diesen beiden kleinen Mädchen zu sagen, daß sie ermordet werden.«
    »Und was würde ihnen das nützen? Es würde ihnen doch nur das wenige an Freude rauben, das ihnen zu Lebzeiten bleibt«, murmelte der alte Mann bekümmert.
    »Und darum verschlüsselst du deine Weissagungen. Du erträgst die Wahrheit nicht, erträgst sie einfach nicht. Michel, hat dir schon einmal jemand gesagt, daß du ein komischer Vogel bist?«
    »Schon sehr viele Menschen, Anael. Lieber Gott, ich war ein Unwissender und verwünsche den Tag, an dem mich danach verlangte, die Zukunft deuten zu können.«
    »Du weißt, das ist alles deine Schuld.«
    »Ja, und dieses Wissen macht es nur noch schlimmer.« Er seufzte. »Ich war jung, ich war töricht, ich war verrückt vor Verlangen nach den Geheimnissen des Orients. Aber wenigstens hat mir dieser verfluchte Kopf im Kasten niemals gehört. Und ich habe wirklich Glück gehabt, daß er seinem Besitzer in Konstantinopel gestohlen wurde, ehe ich einen Wunsch äußern konnte.«
    »Und so bist du vor dir selbst bewahrt worden. Aber wirklich, ich sollte dein Bedauern als Beleidigung auffassen. War es denn so schlimm, meine Bekanntschaft zu machen?« fragte der Geist der Geschichte.
    »Nein, Anael, es hat auch seine guten Seiten. Aber sag mir, wie können wir Menander den Unsterblichen loswerden, ehe er Frankreich in den Untergang treibt?«
    »Michel, du bist leicht zu durchschauen. Glaubst du wirklich, daß es so einfach ist, die Geschichte zu verbessern?« Der Engel grinste und zeigte dabei gleichmäßige, weiße Zähne, dann entfaltete er die rabenschwarzen Flügel, daß ihre schimmernden Federn im Kerzenschein schillerten. Nostradamus seufzte tief. »Sei nicht so niedergeschlagen, alter Sterblicher. Ich gebe dir einen Fingerzeig. Du findest ihn im Horoskop dieses Mädchens.«
    »In ihrem? Dem der kleinen Königin.«
    »Nein, in dem des Mädchens, dessen Patin Zauberpulver auf Menanders Kasten gestreut hat.«
    »Die? Ihr Hund hat meine Hausschuhe aufgefressen. Ich will sie nie wiedersehen.«
    Der Engel hob die Schultern, auf seinem durchscheinenden Leib wirbelten und tanzten glitzernde Sprenkel.
    »Wie du willst. Hausschuhe oder Frankreich«, sagte er.
    »Na schön, wenn du es so hinstellst. Aber lieber Gott im Himmel, wie ärgerlich. Diese Streberin, diese Plaudertasche, diese Schnüfflerin, und dazu noch diese Besserwisserei! Und dann die gräßlichen Gedichte – hast du gewußt, daß sie mir eine eigenhändig verfaßte Villanelle geschickt hat? Die Endreime – pfui – mir haben sich die Haare gesträubt.«
    »Das Horoskop, Michel, vergiß es nicht«, säuselte der Engel der Geschichte und flog davon.

Kapitel 15
    M onsieur,
    heutigen Samstags, am 29. November des Jahres 1556, erhielt ich Eure Briefe, die am 12. Oktober dieses Jahres in Paris abgeschickt wurden. Und mir will scheinen, daß Eure Briefe übellaunig, streitsüchtig und voller Entrüstung bezüglich meiner Person klingen. Ihr beschwert Euch, daß Ihr mir bei meinem Aufenthalt in Paris, als ich Ihrer Majestät der Königin meine Aufwartung machte, zwei Rosennobel und zwölf Kronen geliehen habt, was richtig und wahr ist. Aber mir zu schreiben, daß ich Paris undankbar für Eure Gastfreundschaft verlassen hätte… Das ist völlig wider meine Natur. Und was die gute Entlohnung bei Hofe angeht, als ich krank darniederlag, so hat mir Seine Majestät der König einhundert Kronen geschickt. Die Königin schickte mir dreißig, und das ist das ach so hübsche Sümmchen, das ich für eine Reise von sechshundert Meilen erhalten habe und wovon hundert Kronen verausgabt sind – bleiben dreißig Kronen. Doch darum geht es nicht: Nachdem ich von Saint-Germain nach Paris zurückgekehrt war, suchte mich eine ehrenwerte, bedeutende Dame auf, die mir bisher fremd war… und die mich wissen ließ, daß mich die Herren der Gerichtsbarkeit von Paris zu den Methoden befragen wollten, nach denen ich meine Weissagungen treffe. Ich sagte, es verlohne die Mühe nicht, da ich vorhätte, am nächsten Morgen in die Provence zurückzukehren, was ich dann auch tat. Doch Ihr glaubt, ich mache so viele Worte, weil ich meine Zahlungen an Euch hinauszögern

Weitere Kostenlose Bücher