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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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sich, wohl aus reiner Aufsässigkeit, im Zustand der Auflösung. Unter dem Wams baumelte eine lose Nestel, sein kurzes Gewand hing schief, und die Krause lag ihm schlapp und kläglich um den Hals. Doch etwas fiel mir ins Auge, nämlich sein flaches schwarzes Samtbarett. Statt gediegen und gerade auf der Stirn zu sitzen wie bei den Älteren, trug er es keck und verwegen schief. Der Blick unter der Krempe war gereizt, gelangweilt und aufmüpfig. Dennoch, er sah gut aus, auf seine etwas linkische Art, und ich ertappte mich bei dem Wunsch, er möge an meiner Kleidung nichts auszusetzen haben. Mit erhobenem Kinn wollte ich an ihm vorbeirauschen, da bemerkte ich, wie er die Augenbrauen leicht hochzog und ein seltsamer Glanz in seine dunklen Augen trat. Mein neues, kostbares Seidenkleid schien diese umwerfende Wirkung auszuüben. Jetzt rasch an ihm vorbei, dachte ich, bevor ich meine auswendig gelernte Rede vergessen habe.
    Doch einer der Älteren wandte sich mir plötzlich zu. Sollte ich ihn etwa kennen? O ja, er hatte sich den Bart anders stutzen lassen und war grauer geworden: Es war der Gatte meiner klatschsüchtigen Base Matheline, der reiche Bankier M. Bonneuil.
    »Fürwahr, wenn das nicht Mathelines Base Sibille ist?« sagte er und trat in Begleitung seines Gefährten näher. »Sibille, Ihr seid ja richtig elegant geworden, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Gestattet, daß ich Euch einen lieben Freund vorstelle, Monsieur Montvert aus dem Hause Fabris und Montvert, und dies ist sein Sohn.« Das übrige hörte ich kaum noch, so sehr sorgte ich mich, daß sich durch diese Störung das, was mir von meiner Rede noch im Gedächtnis geblieben war, auch noch verflüchtigte. Außerdem hatte ich noch nie von Montvert gehört, was auch immer das sein mochte. Ohne Zweifel irgendein neues Anwesen mit einem gekauften Titel oder eine Bank zwielichtiger Italiener. »Demoiselle Sibille ist in unserer Stadt als namhafte Dichterin bekannt, und ihr Dialog der Tugenden ist Michaeli letzten Jahres im cénacle meiner Gattin mit großer Bewunderung…«
    Alles weg – ganz weg – ich schaffe es nicht… Und das alles wegen eines prächtigen Seidenkleides, das diesen Emporkömmling, Mathelines ungehobelten Ehemann, so entzückt hat, dachte ich. Dann bemerkte ich, daß die beiden Fremden meine Füße anstarrten. Guter Gott, meine Schuhe. Was für ein Kontrast zu dem geliehenen Kleid und dem Schleier – und so groß – das Kleid – nicht lang genug – ich spürte, wie ich unter dem Schleier errötete. Dann hörte ich den fremden älteren Mann etwas über die Muse sagen und stammelte irgendeine Antwort, doch über allem anderen hörte ich mein Herz in heller Scham hämmern und poltern.
    »Ein Jammer, daß Euer Vater in der Klemme sitzt«, fuhr Mathelines Mann erbarmungslos fort. »Leider werdet Ihr die meisten Türen verschlossen finden, meine Liebe, unsere übrigens auch, falls er brennen muß. Ketzerei, wie Ihr wißt… Man kann dieser Tage wirklich kein Risiko eingehen. Aber Ihr tut recht daran, Euch an den Bischof zu wenden. Ich bekomme den Klatsch der Bankiers zu hören, und es geht das Gerücht, daß M. D'Apchon, diese Kreatur des Marschalls St. André, schon seit längerem ein Auge auf Euer Haus geworfen hat. Falls es dann beschlagnahmt ist, hat er dafür gesorgt, daß es an ihn fällt. Und wie ich höre, hat er eine beträchtliche Summe aufgenommen, nicht nur um es neu zu möblieren, sondern auch um den bailli zu bestechen und…«
    »Annibal ist unterwegs mit einem Brief von Montmorency«, stammelte ich, »aber wir befürchten, daß er zu spät kommt.«
    »Paßt auf, liebe Base, Ihr müßt die Verbindung Eurer Familie zum Konnetabel herausstreichen. Er steht bei Hofe in Gunst, noch über St. André, und selbst M. D'Apchon wird es nicht wagen, ihn zu verärgern. In diesem Fall geht es nicht um Schuld oder Unschuld – denkt daran.« Mit den üblichen höflichen Floskeln verabschiedeten sie sich und ließen mich mit dem sicheren Gefühl stehen, daß mein Untergang durch diese Störung besiegelt war. Die einst so anrührend und elegant formulierte Rede hatte sich jetzt in nichts aufgelöst, an ihre Stelle war blanke Panik getreten.
    Und die Panik verdoppelte sich noch, als ich die harten Bänke im langen Saal vor dem Audienzzimmer des Bischofs erblickte. Sie waren dicht an dicht mit bleichen, erschöpften Bittstellern besetzt, die mir mehr oder weniger glichen, nur daß sie um einiges schlechter gekleidet waren. Die sind

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