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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle Riley
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möglicherweise schon tagelang hier, dachte ich. Vielleicht empfängt er mich nie. Doch Tantchens Lakai führte mich zu dem Diener an der geschlossenen inneren Tür und bedeutete mir, meinen rechten Handschuh auszuziehen. »Seht Euch den Ring meiner Herrin an«, sagte er, »und sagt Eurem Herrn, daß Madame Tournets Nichte um eine Audienz bittet.« Das waren wohl genau die richtigen Worte, denn wir wurden sogleich in das Audienzzimmer des Bischofs geführt, in dem Priester und Sekretäre auf wichtig wirkenden Botengängen hin und her wieselten.
    Das Zimmer selbst war von einer Üppigkeit, die es mit den schönsten Räumen in Tantchens luxuriösem Herrenhaus aufnehmen konnte. An jeder Wand hingen kostbare Gobelins, und zwischen die vergoldeten Bögen, die die Decke trugen, hatte ein geschickter Künstler Szenen gemalt, die Christus auf dem Himmelsthron zeigten, umgeben von Engeln und Heiligen. Unter diesem himmlischen Baldachin schien jedoch eine vollkommen weltliche Unterhaltung zu Ende zu gehen, die mit Kirchenbesitz und den Einkünften irgendeines Anwesens zu tun hatte, dessen Rechtstitel strittig waren. Wie seltsam, da hatte ich mir immer vorgestellt, daß Bischöfe ihre Freizeit im Gebet verbringen, doch selbst im Schatten von Gottes Tempel wurde nur über Geld gesprochen, und ich sah Bankiers und andere Leute mit berechnendem Blick ein und aus gehen. Doch dann führte mich mein Begleiter durch das Zimmer und stellte mich vor, und ich durfte auf die Knie fallen und den bischöflichen Ring küssen.
    Das glatte, wohlgenährte weltliche Gesicht des Bischofs zeugte davon, daß er einst ein gutaussehender Mann gewesen war. Bei meinem Anblick heiterte sich seine Miene auf, dann warf er einen Blick auf den Ring an meiner Hand. Seine Augen funkelten ein wenig, und da wußte ich, daß der seltsame Gegenstand seine Wirkung getan hatte. »Schön, schön«, sagte er, als ich aufstand, und musterte mich von Kopf bis Fuß, »das ist also der dritte Gefallen in einem Vierteljahrhundert. Laßt mich die Bittschrift sehen.« Er lächelte spöttisch, als er sie entfaltete und sich mein Werk ansah. »Das habt Ihr offensichtlich selbst geschrieben.« Die Panik, die ich inzwischen unterdrückt zu haben glaubte, stieg erneut auf. »Was für eine interessante Verteidigung Eures Vaters.« Mein Herz hämmerte stärker. Was sage ich nur, was sage ich? »Seid Ihr die Tochter, die Madame Tournets Patenkind ist?« fragte er. Ich nickte, und das hoffentlich ungemein würdevoll, doch kein Laut kam über meine Lippen. Oh, diese Elenden auf dem Hof, tausendmal Fluch über sie. »Ist das Eure Idee gewesen?« fragte er. Ach, es lagen Stunden zwischen jeder Frage, und ich merkte, daß er Rede und Antwort von mir erwartete.
    »Ich… Das ist alles so furchtbar, nichts als eine Verschwörung… Mein Vater würde nie ein Buch von M. Calvin lesen und schon gar nicht eins besitzen wollen. Er… er liest so gut wie nie… er findet, Theologie ist für Priester… und Annibal ist zu weit weg, er kann nicht schnell genug kommen, weil der Konnetabel gerade jetzt oben im Norden ist, auch wenn Mutter nach ihm geschickt hat…«
    »Der Konnetabel? Der Sieur de Montmorency?«
    »Mein Bruder ist bei der leichten Kavallerie in der Kompanie seines Sohnes enseigne, und M. de Damville verläßt sich völlig auf ihn… Ja, Annibal kommt kaum noch nach Haus.« Was war aus meiner Rede geworden? »Und Ihr in Eurer Güte und edlen Barmherzigkeit und mit Eurem großen Scharfblick werdet gewißlich einsehen, daß mein Vater unschuldig ist, und werdet eingreifen, der göttlichen Gerechtigkeit zuliebe.«
    »St. André dürfte schwerlich gewußt haben, daß Ihr über so gute Beziehungen verfügt…« Ein sonderbares, spöttisches Lächeln huschte über das weltliche Gesicht des Bischofs. War es Dummheit, die mich veranlaßte, mit dem niederträchtigen Klatsch herauszuplatzen, den ich gerade gehört hatte?
    »Das Haus hat unserer Familie gehört, seit es Gaston de la Roque unter der Herrschaft König Karls VII. erbaut hat. M. D'Apchon ist ein gemeiner Intrigant, und sogar sein Gönner, M. St. André, wird ihn fallenlassen, wenn er den Konnetabel beleidigt, der sich höchstpersönlich betrüben wird, wenn ein so tapferer Mann wie mein Bruder den Dienst seiner Familie verlassen muß, weil sich falsche Menschen verschworen haben, Vater seinen Besitz zu stehlen.« Die hellen Wuttränen liefen mir jetzt über die Wangen. Ach, was war los mit mir? Warum hatte ich es nicht so glatt

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