Die geheime Mission des Nostradamus
Matheline hatte? Du mußt einen viel schöneren bekommen. Ah! Da drüben! Nun sieh dir diesen Laden mit den süßen bestickten Hausschuhen an! Ich muß welche haben. Théophile, lieber Vetter, laßt anhalten! Baptiste, halt, halt hier an, lauf hinein und hol mir den Ladenbesitzer. Er soll mir die seidenen da mit den gestickten Rosen bringen, die ich auf dem Regal hinter seinem Arbeitstisch sehe.« Sie drehte sich zu mir um, und ihre Augen glitzerten. »Sibille, du mußt noch lernen, daß man beim Einkaufen keine Gelegenheit auslassen darf. Denn falls du das tust, siehst du dergleichen vielleicht nie wieder. Und dann träumst du davon. Das beste ist also, man greift auf der Stelle zu.«
Ich genierte mich zwar, aber man mußte einfach Mitleid mit Tantchen haben. So ergeht es einer besessenen Käuferin, die viele Jahre lang eingesperrt ist, und es ist nur natürlich, daß sie ein wenig außer sich gerät, wenn sie endlich in der größten Stadt des Reiches angekommen ist. Seit uns der Kurier der Königin mit dem Brief erreicht hatte, war sie vor Freude ganz aufgeregt, hatte sofort begonnen, Vorkehrungen für die Reise zu treffen, hatte Geschmeide, Schleier, Hauben aus- und eingepackt und frohlockt, daß Vater alle Rechte an mir aufgegeben und nun keinen Anteil mehr an meinem Ruhm hatte. Sie hatte ihm sogar einen Jubelbrief geschrieben, für ihn sei sie zwar nicht gut genug, für Könige jedoch allemal, ha.
Der Ladenbesitzer war auf die Straße getreten und brachte katzbuckelnd die Schuhe, nach denen es sie gelüstete. Tantchen nahm einen, zog ihn hinter dem geschlossenen Vorhang über ihren Gichtfuß und erklärte, er passe genau.
»Die nehme ich. Habt Ihr etwas Ähnliches, nur wesentlich größer?« fragte sie. Ich spürte, wie ich schon wieder errötete.
»Man könnte etwas anfertigen«, bot der Schuhmacher an. »Kommt herein und seht Euch die neueste Mode an, vielleicht findet Ihr ja etwas Passendes.«
»Madame, liebe Base, wir geraten in Verzug… wir sind beinahe beim Gasthof angekommen… vielleicht später…«
»Théophile, mein teuerster Vetter, seid ein Engel, geht voraus und trefft die Vorkehrungen. Baptiste, du bleibst hier. Ich möchte mich noch ein Weilchen bei diesem Meisterschuster aufhalten und ein paar Kleinigkeiten bestellen.« Blind für die Menschenmenge, die zum Gaffen zusammengelaufen war, ließ sie sich aus der Sänfte heben und rauschte vor mir in den Laden, ein Lakai und Gargantua bildeten den Schluß unserer Prozession.
»Seht euch den Hund an, mein Gott!«
»Das ist doch nur ein Welpe.«
»Genau das meine ich ja. Er ist schon so groß wie ein Wolfshund. Wie der wohl aussieht, wenn er ausgewachsen ist?«
»Die Pfoten, das erkennt man an den Pfoten.«
»Ha, und die sind so groß wie die Füße dieser Frau…«
»Wie groß sie wohl noch werden…«
»Georges, ich glaube, das hat sie gehört.«
Lieber Gott, dachte ich, wenn ich doch nur Satirikerin mit einer spitzen Feder wäre, statt eine liebliche und zartbesaitete Seele mit poetischem Naturell. Dann könnte ich sie mit einer gemeinen Spitze erdolchen! Doch statt dessen wünschte ich nur, daß sich die Erde auftäte, um mich zu verschlingen. Am schlimmsten war das Stimmchen in meinem Hinterkopf, das mir sagte, daran solle ich mich lieber gewöhnen, da mein künftiges Leben eine Abfolge von Peinlichkeiten sein würde. Oder, wie Mutter immer sagte, wenn sich Vater öffentlich betrank: »Es gibt Dinge im Leben, mit denen muß eine Dame taktvoll umzugehen lernen.«
Mutters Ausspruch wurde im Gasthof erneut auf die Probe gestellt, als der arme Baptiste, mit unserem Gepäck beladen, geradewegs in einen provinziell aussehenden Kammerdiener hineinlief, der ähnlich beladen aus unserem Zimmer kam. Während sie ihre Siebensachen zusammensuchten, stellte sich heraus, daß persönliche Gegenstände des vorherigen Mieters noch im Zimmer waren, der nun ins Hostel de Sens umgezogen war.
»Tut mir leid, tut mir leid«, sagte der Kammerdiener, »mein Herr ist krank geworden, und ich hatte zuviel zu tun.«
»Krank, wie das?« sagte Tantchen, neugierig geworden, vertrat dem Diener mit ihrer Fülle den Weg und stieß mit dem Spazierstock nach ihm, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Ist es ansteckend? Ich möchte nicht in einem Zimmer wohnen, in dem jemand mit einer ansteckenden Krankheit das Bett gehütet hat. Wo bleibt mein Vetter? Wie konnte er mir das antun? Ohne meine Anleitung trifft er nicht einmal die einfachsten Vorsichtsmaßnahmen.
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