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Die geheime Stunde

Die geheime Stunde

Titel: Die geheime Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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wartete.
    »Sie hat immer draußen einen Waschzuber gefüllt.«
    Beide verstummten. Als sei ihm bewusst geworden, dass er gerade ein Gebiet betreten hatte, das er eigentlich meiden wollte, verdüsterte sich Johns Miene. Er fing sich wieder und wartete, bis Kate Bonnie eingefangen und in die warme Wanne gesetzt hatte.
    »Du kannst ruhig darüber reden«, sagte Kate still und verteilte Shampoo in Bonnies schwarzem Fell. »Ich habe dir erzählt, wie sehr Willa mir fehlt. Jetzt bist du an der Reihe, über die Lücke zu sprechen, die Theresas Tod hinterlassen hat.«
    Er schwieg einen Moment. »So könnte man es auch ausdrücken.«
    Kate blickte ihn an.
    »Wir waren lange Zeit sehr glücklich miteinander. Sehr verliebt.«
    Kate nickte. Warum klangen die Worte so bitter? Sie dachte daran, wie glücklich sie anfangs mit Andrew gewesen war und was sie empfunden hatte, als dieses Glück nach und nach zerrann. Während John sprach, spülte er Bonnies scheckiges Fell unter laufendem Wasser nach, kämmte die letzten Zweige heraus. Kate betrachtete seine Hände, hörte aufmerksam zu.
    »Wir waren schon in der Highschool ein Paar. Unzertrennlich. Unsere Beziehung überstand die Collegezeit, während meines Jurastudiums heirateten wir, und danach kamen wir hierher zurück. Wir hatten einen großen Freundeskreis – wir hatten alles gemeinsam und unternahmen alles Mögliche zusammen. Wir zwei, Sally und ihr Mann, Billy und Jen Manning und die Jenkins’.«
    »Felicity und Barkley?«
    John nickte, seine Augen verengten sich.
    »Es tut mir Leid; ich weiß, wie schlimm es ist, wenn man einen Menschen verliert. Und die ganze Welt aus den Fugen gerät.«
    »Du meinst, durch den Unfall?«
    Kate wusste aus eigener Erfahrung, dass es in einer Ehe viele Bereiche gab, Schicht um Schicht, die abbröckelten, bevor der endgültige Bruch eintrat. Sie blickte John an und überlegte, ob sie höflich sein und so tun sollte, als wüsste sie nicht, worauf er mit seiner Bemerkung abzielte. Doch sie hielt nichts davon, sich selbst und anderen etwas vorzumachen – das wäre genauso, als würde man versuchen, eine Narbe zu kaschieren.
    »Ich weiß, was du meinst, John. Das war mir schon bei den Fragen klar, die du mir gestellt hast. Über Andrew, Willa und mich …«
    Er stützte sich auf den Rand der Badewanne, suchte ihren Blick. »Du hast es also doch erraten. Ich war mir nicht sicher, aber ich dachte, du würdest es auch so verstehen. Du hast Recht, unsere Ehe war schon vor dem Unfall ein Scherbenhaufen. Theresa kam an besagtem Abend von einer Verabredung. Einem
Stelldichein.«
    Kate sah ihn stumm an und lauschte, als er das Wort aussprach: Stelldichein. Ein so klangvoller Begriff für eine so grauenhafte Erfahrung.
    »Sie hatte eine Affäre, Kate.« Seine Augen wirkten erbittert, und seine Stimme klang rau, als bereite ihm das Geständnis körperliche Schmerzen. »Mit Barkley Jenkins.«
    »Das tut mir Leid.« Kate spürte, wie Tränen in ihre Augen traten. Ein langjähriger Freund, ein Mensch, dem John uneingeschränkt vertraut hatte. Badewasser lief an ihrem Arm herunter, durchnässte ihre Bluse. Sie stand wie angewurzelt da und stellte sich vor, wie schlimm die Entdeckung für John gewesen sein musste und wie schmerzlich die Erkenntnis, dass der Partner, den man liebte, jemand anderen begehrte.
    »Sie war auf dem Heimweg, hatte den Abend mit ihm verbracht. Den Abend, als der Unfall geschah.«
    »Es tut mir so Leid.«
    »Sie war hübsch, im landläufigen Sinn, und sie besaß das gewisse Etwas … ihre Augen waren unergründlich, und das machte sie unwiderstehlich. Irgendwie anders; sie hatte den Teufel im Leib, würde ein abergläubischer Ire sagen. Sie sah dich an, als würde sie dich auf den ersten Blick durchschauen, deine verborgensten Geheimnisse kennen, bevor du auch nur den Mund aufgemacht hast. Sie zog die Männer an wie ein Magnet.«
    Kate wartete, hörte mit angehaltenem Atem zu.
    »Nach und nach begann ich, Geheimnisse zu hassen.«
    Kate sah, wie er den Blick senkte, um den Schmerz darin zu verbergen.
    »Denn das war ihr großes Talent. Sie gab Männern das Gefühl, dass sie ihr alles anvertrauen konnten. Sie saugte ihre Geheimnisse auf wie ein Schwamm – wenn ich sie bei Cocktailpartys mit einem Mann in der Ecke tuscheln sah, wusste ich, dass sie es ihm entlockte … das große Geheimnis, das er niemandem zu verraten gewagt hatte … Jeder Mensch wird mit bestimmten Fähigkeiten geboren. Maler, Schauspieler, Fußballspieler,

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