Die geheime Stunde
müssen.«
»Wieso? Weil du Polizist bist? Und in der Lage gewesen wärst, sie zu beschatten? Oder mir gezeigt hättest, wie man das macht? Meiner eigenen Frau nachspionieren?«
»Nein, John. Weil ich Bescheid wusste. Wie alle.«
»Alle?«
»Über Theresa und Barkley.«
»Herrgott Billy!«
»Sie waren nicht besonders diskret – ich sah sie zusammen in der Drawbridge Bar. Und einmal, am Abend, verließen sie gerade den Parkplatz am Strand. Und ich sah …«
John war wortlos aufgestanden. Er hatte die leeren Gläser in die Küche zurückgebracht. Als Billy ihm ins Haus gefolgt war, hatte John ihm kein weiteres Bier mehr angeboten. Er hatte am Spülstein gestanden und die Gläser ausgespült, ohne aufzublicken. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn Billys Worte nie gefallen wären. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn Billy nichts über Theresas Affäre gewusst oder ihm zumindest nichts erzählt hätte. »Es tut mir Leid, John«, hatte Billy gesagt. Kurz darauf war er gegangen.
Als sie nun an der Rückseite des Witch’s Brew entlanggingen, hatte John das Gefühl, als ob Billy noch etwas zu besagtem Abend sagen wollte. Sie hatten nie mehr darüber gesprochen – und so getan, als hätte diese Unterhaltung nie stattgefunden. Autos fuhren auf der Hauptstraße vorüber. Einige bogen in den Parkplatz ein. Johns Herz klopfte zum Zerspringen.
Er dachte an eine Zeit, die noch weiter zurücklag. Sie waren alle eng miteinander befreundet gewesen: John und Theresa, Billy und Jennifer, Barkley und Felicity, Sally und Todd. Theresa und er hatten im Sommer vor seinem dritten Jahr an der juristischen Fakultät geheiratet.
John erinnerte sich daran, wie sie sein bestandenes Examen gefeiert hatten. Er war voller Idealismus gewesen – brannte darauf, ins Leben hinauszutreten und die Welt zu verändern. Konnte es kaum erwarten, seine Zulassung zu erhalten und mit der Arbeit zu beginnen. Aber zuerst hatte ihm der Richter eine Examensfeier ausgerichtet, und alle waren gekommen, einige selbst frisch verheiratet.
Es war ein herrlicher Sommerabend gewesen, der Vollmond ging über Silver Bay auf. Die Frauen hatten ärmellose Kleider getragen, die Männer blaue Blazer. Theresa hatte als Vorspeise Häppchen gemacht, Sally hatte einen Auflauf mitgebracht. Nach zahllosen gemeinsamen Schulfesten, Tanzveranstaltungen und Lagerfeuern war dieses Fest ihr erstes Beisammensein als Erwachsene.
Der Richter hatte eine Band engagiert, und die Leute tanzten. John hatte sich umgeschaut: Das Fest fand zu seinen Ehren statt, und die Gäste standen ihm nahe. Er war nun Rechtsanwalt, oder würde es sein, sobald er im Juli seine Zulassung in der Tasche hatte. Danach konnte endlich das wirkliche Leben beginnen. Er spürte, wie Billy seinen Arm ergriff, und zog Theresa mit.
Der harte Kern – Billy, Barkley, John und Theresa – stahl sich davon, ging hinter der Ligusterhecke entlang der Garage in Deckung.
»Wir sollten Jen und Felicity holen«, meinte Theresa. »Die anderen Ehefrauen …«
»Gleich.« Billy zauberte eine Flasche Champagner hervor. »Die ist nur für uns – die vier Musketiere.«
»Drei«, gab Theresa lächelnd zu bedenken und schickte sich zum Gehen an. »Ich gehöre nicht dazu.«
»Du hast dazugehört und wirst immer dazugehören«, erklärte Billy. »Dafür hat Johnny gesorgt.«
»Du bist der vierte Musketier«, sagte Barkley. »Selbst Jen und Felicity wissen das.«
»Ich fühle mich geehrt«, sagte Theresa lächelnd, und John war stolz gewesen, mit ihr verheiratet zu sein. Sie sah hinreißend aus in ihrem Sommerkleid, sonnengebräunt und gertenschlank. Ihre Augen sprühten, als wüsste sie, welche Geheimnisse das Leben barg, dass es ein einziges, unbändiges Abenteuer war, auf das sie sich mit ihren Weggefährten einlassen wollte.
»Darauf lasst uns trinken«, sagte Billy und entkorkte die Flasche. »Auf John O’Rourke, das neueste Mitglied des Anwaltsstandes von Silver Bay.«
»Und Billy Manning«, sagte John. »Das neueste Mitglied der Polizei von Silver Bay.«
»Ich bin seit drei Jahren bei dem Verein«, lachte Billy. »Ich hab dir was voraus – ich buchte die Leute ein, und du versuchst, sie herauszupauken.«
»Ich vertrete sie als Anwalt«, sagte John.
»Nenne es, wie du willst, Johnny.« Billy hielt die Flasche in der Hand. »Zum ersten Mal im Leben werden wir auf entgegengesetzten Seiten stehen. Ich werde dir Dampf unterm Arsch machen – und glaube nicht, dazu wäre ich nicht im Stande.«
»Und ich werde
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